16.10.2014 (fjh)
Die Identität einer 3.500 Jahre alten Königsstadt haben Marburger Wissenschaftler enthüllt. Bei Ausgrabungen des Vorgeschichtlichen Seminars der
Philipps-Universität in der türkischen Stadt Kayalipinar entdeckten sie Keilschrifttafeln, die erstmals den hethitischen Namen "Samuha" nennen. Zu diesem Ergebnis kam Prof. Dr. Elisabeth Rieken vom Marburger Fachgebiet Vergleichende Sprachwissenschaft und Keltologie bei ihrer kürzlich abgeschlossenen Bearbeitung der neuen Textfunde.
"Samuha war als bedeutende Metropole bereits seit Längerem aus Schriftquellen anderer Fundorte bekannt", erläuterte Prof. Dr. Andreas Müller-Karpe. Er ist Direktor des Vorgeschichtlichen Seminars der Philipps-Universität, an dem das Forschungsprojekt angesiedelt ist.
"Wo diese Stadt jedoch lag, blieb in der Forschung heftig umstritten", erläuterte er. Die jüngsten Ausgrabungen brachten nun den Durchbruch: Der Ort befand sich am Nordufer des längsten Flusses Anatoliens, des Kizilirmak - (hethitisch "Marassantija" - in der ostkappadokischen Provinz Sivas.
Die älteste Erwähnung Samuhas datiert in das 19. Jahrhundert vor Christi Geburt. "Altassyrische Tontafeln aus Kültepe bei Kayseri belegen, dass schon in dieser Zeit ein Palast in der Stadt existierte, somit ein Herrscher hier residierte", legte Sprachwissenschaftlerin Rieken dar. Händler aus dem 750 Kilometer entfernten Assur (Iraq) unterhielten hier zudem einen Stützpunkt.
"Noch wichtiger wurde die Stadt dann aber in der Epoche des Hethiterreiches - insbesondere im 14. Jahrhundert v. Chr. - als der Regierungssitz zeitweilig nach Samuha verlegt wurde", führte Müller-Karpe aus. Großkönig Tuthalija III. richtete an diesem Ort seine Residenz ein und blieb dort bis zu seinem Lebensende.
Sein Sohn und Nachfolger Suppiluliuma I. führte von Samuha aus zahlreiche Feldzüge, eroberte das hethitische Kernland und die Hauptstadt Hattusa im heutigen Anatolien zurück. Später erweiterte er sein Herrschaftsgebiet zu einem Großreich, das mit Ägypten um die Vormachtstellung im Alten Orient konkurrierte.
Im 13. Jahrhundert v. Chr. wurde Samuha Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen innerhalb des Königshauses. Um 1200 v. Chr. wurde die Stadt dann endgültig zerstört und geriet - wie das gesamte Hethiterreich - in Vergessenheit. Erst durch die 2005 unter Leitung von Andreas und Dr. Vuslat Müller-Karpe begonnenen Ausgrabungen wurden nun wieder Teile der Stadt aufgedeckt. Die Arbeiten werden in Kooperation mit der Deutschen Orientgesellschaft durchgeführt und von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
An der Philipps-Universität bietet das "Marburger Centrum Antike Welt" die Plattform für die verschiedenen interdisziplinären Forschungen, die nun durch den jüngsten Erfolg der Identifizierung der Ausgrabungsstätte mit der historisch bedeutenden Stadt Samuha gekrönt wurde.
pm: Philipps-Universität Marburg
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