17.09.2014 (tro)
Eine Mischung aus Kasperle-Cartoon, Musical und Beatbox-Performance krempelte am Dienstag (16. September) die
Waggonhalle komplett um. Das sogenannte "Beatboxical Razzz" begeisterte das Publikum mit absurdem Witz und "fetten Beats".
Die vier jungen berliner Künstler Kays, Phil, Johannes und Rapha produzierten sämtliche Musikeinlagen komplett mit dem Mund. Die Faszination ihres Könnens trug den ganzen Abend.
Zak wohnt bei seinen Eltern in Berlin-Neukölln und ist arbeitslos. Wenn es nach ihm ginge, könnte das auch so bleiben.
Sein bester Freund Mak jedoch sieht das anders. Mit seinem Rap "Du verpennst gerad' Dein Leben, das kann ja wohl nicht wahr sein" rüttelt er Mac auf und bringt ihn dazu, zum Jobcenter zu gehen.
Unterwegs erleben die beiden die merkwürdigsten Situationen und treffen seltsame Gestalten. Der "Partyboy" will Zak zu einigem Unsinn verführen. Ein Zeitungsverkäufer in der U-Bahn erzählt von seinem üppigen Leben vor der Finanzkriese; und der Jobcenter-Mitarbeiter spricht mit seinem Kaktus.
Zak hat Glück und bekommt noch am gleichen Tag ein Vorstellungsgespräch. Das läuft aber alles andere als gut. Der Getränkegroßhändler Fielbrack hält nämlich nichts von selbstbewusstem Auftreten.
Wieder auf der Straße, wird Zak unfreiwillig in einen Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft verwickelt. Der eilends herbeigerufene Polizist verdächtigt ihn und nimmt den Unschuldigen mit aufs Revier. Ein Freund kann Zak jedoch mit Hilfe von Haschkeksen wieder befreien.
Die ganze Situation hat aber auch etwas Gutes. Zak wittert seine Chance und bietet dem völlig überforderten Juwelier seine Hilfe an.
Tatsächlich bekommt er den Job. Am Abend können dann alle zusammen auf ein Konzert feiern gehen.
Die Handlung war jedoch für den Abend völlig irrelevant. Große Spannungsbögen, Überraschungen oder Gedankentiefe konnte man von ihr ohnehin nicht erwarten. Sie bot vielmehr nur einen losen Zusammenhalt für die eigentliche Stärke des Abends: Die Präsentation.
Figuren und Begebenheiten waren ins Groteske überzeichnet. Mit den stark überspitzten Klischee-Versatzstücken erreichten die Künstler eine höchst klamaukige - aber witzige - Atmosphäre.
Die An- und Abmoderation übernahm eine Lautsprecherbox-Handpuppe in einem Kasperletheater. Verschiedene Rollen hatten unterschiedlich gefärbte schrille Perücken aus Schaumstoff. Auch der Bühnenumbau wurde zur Show und mit cartoontypischen Geräuschen wie etwa Spongebob Schwammkopf-Schritten untermalt.
Das Wichtigste jedoch war natürlich das Beatboxen. Mit Stimme, Zunge, Lippen und Nase erzeugten die vier Jungs sämtliche Geräusche, Instrumente und Klänge.
Die Standard-Rythmusmaschine war dabei noch eine ihrer leichtesten Übungen. Brummende Bässe, lebensnahe Trompeten und Soundeffekte wie Autohupen, Fahrstuhltüren und Telefone gehörten ebenfalls zum Repertoire. Selbst ein Vorstellungsgespräch wurde zu einer hoch virtuosen Scratching-Nummer.
Nicht nur Hip Hop bekam man an diesem Abend zu Gehör gebracht. Die Frequenzwahlgeräusche beim Telefonanruf wurden beispielsweise kurzerhand zur Coverversion des Elektropopklassikers "Popcorn" von "Hot Butter".
Ein Reggae mit dem passenden Titel "Du brauchst Weed" und der Bossa Nova Fahrstuhlklassiker "The girl from Ipanema" vertraten die Melodiefraktion. Hier zeigte sich jedoch eine der großen Schwächen der Musiker. Melodieführung und Zusammenspiel waren teilweise weit von der Perfektion entfernt, die sie sonst an den Tag legten. Unter den Beatboxern ist das allerdings ein weit verbreitetes Problem.
Die schauspielerische Leistung aller Vier half über dieses Manko jedoch leicht hinweg. Jeder hatte gleich mehrere Rollen zu spielen. Das gelang ihnen durch ihre große stimmliche und mimische Darstellungskraft aber mit Leichtigkeit.
Spätestens nach zwei Stunden waren jedoch alle Witze gebracht, alle Soundeffekte ausgereizt und alle Ideen erschöpft. Die letzte halbe Stunde war deshalb trotz unvermindertem Einsatz der Darsteller etwas schleppend.
Wie zu erwarten war, lockte "Razzz" ein sehr junges Publikum in die Waggonhalle. Entsprechend auf die Jugendkultur gemünzt war auch Sprache und Inhalt. Bedenklich war, dass in Gegenwart der Kinder im Publikum Kraftausdrücke und latent drogenverherrlichende Botschaften geäußert wurden. Zu welchen Veranstaltungen man seine Kinder mitnimmt, bleibt aber jedem selbst überlassen.
Das höchst innovative Konzept des Abends scheint gut aufzugehen. Das Publikum jedenfalls fühlte sich hervorragend unterhalten. Der Applaus, mit dem es Kays, Phil, Johannes und Rapha am Ende dankte, war geradezu ohrenbetäubend.
Thade Rosenfeldt
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