Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Geistvolles Spiel


Forschung zu moderaten Islamisten

10.09.2014 (jfu)
Mit Handlungslogiken moderater Islamisten aus der Region des Nahen Ostens und Nordafrikas beschäftigt sich ein aktuelles Forschungsprojekt des Centrums für Nah- und Mitteloststudien (CNMS) der Philipps-Universität. Es trägt den Titel „Islamisten im regionalen Transformationsprozess: Dialog und Dokumentation“. Dabei wird Grundlagenforschung betrieben, die auch für Politikempfehlungen für die deutsche Außenpolitik hilfreich ist.
Das Projektteam besteht aus dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Rachid Ouaissa und seinen Mitarbeiter Julius Dihstelhoff, Ivesa Lübben und Heidi Reichinnek. Sie generieren Hintergrundwissen zu Handlungslogiken moderater Islamisten im national- und regionalstaatlichen Kontext sowie gegenüber den Ländern Europas, insbesondere Deutschlands.
Zugleich suchen die Forscher nach Zielen und Anknüpfungspunkten für einen künftigen Umgang mit islamistischen Akteuren. Das Auswärtige Amt stellt hierfür über 477.000 Euro zur Verfügung.
Das Projekt wurde vom Auswärtigen Amt im Rahmen der offiziellen deutschen Transformationspartnerschaften mit der Arabischen Welt bewilligt. Ab September 2014 läuft es über eineinhalb Jahre.
Das Forschungsvorhaben knüpft thematisch an ein Mitte Februar 2014 ausgelaufenes Projekt an. In dessen Verlauf organisierten Ouaissa, Lübben und Dihstelhoff drei Konferenzen mit Vertretern islamistischer Parteien und deutschen Experten. Das neue Projekt soll nun an die Erkenntnisse des erfolgreich beendeten Vorläufers anschließen, die dabei gewonnenen Kontakte vertiefen und neue Dialogpartner ausfindig machen.
Ziel ist es, das Verhalten moderater islamistischer Akteure nach dem so genannten „Arabischen Frühling“ zu untersuchen. Insbesondere in Zeiten zunehmender Destabilisierung der Region und dem Erstarken radikaler Akteure ist ein politischer Dialog mit moderaten islamistischen Akteuren von enormer Wichtigkeit. Während des aktuellen Projektzeitraums liegt der Fokus auf Tunesien, Libyen und Ägypten.
„Verschiebungen der Kräfteverhältnisse in der Region haben seit den Umbrüchen 2011 neue Re-Konfigurationen von Mächten und Allianzen unter sehr unterschiedlichen Akteuren zur Folge“, konstatiert Ouaissa. Das führe zu veränderten gesellschaftlichen Ordnungen in mehreren Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. Solche Veränderungen sind sowohl auf nationalstaatlicher als auch auf regionalpolitischer und internationaler Ebene relevant.
In diesem Zusammenhang macht Projektmitarbeiter Julius Dihstelhoff deutlich: „Moderat-islamistische Akteure stellen nach wie vor eine wichtige politische Strömung dar, die auch in Zukunft eine relevante Rolle in der Region spielen werden und über großen Einfluss in der Zivilgesellschaft verfügen.“
Das sei trotz ihrer politischen Einflussverluste spürbar. Die hätten sich in der Amtsenthebung des ägyptischen Präsidenten Mursis oder den freiwilligen Rückzügen aus der Regierung gezeigt, wie in Algerien, Libyen und Tunesien. Auch zukünftige Außenbeziehungen, wie die Deutschlands, werden dem Gewicht moderat islamistischer Akteure Rechnung tragen müssen.
„Eine gute Mischung aus Dialog und Dokumentation zwischen allen an dem Projekt beteiligten Akteuren und in verschiedenen Formaten trägt zu verbesserten künftigen Partnerschaftsbeziehungen auf unterschiedlichen Ebenen bei“, findet die Projektmitarbeiterin Heidi Reichinnek. So könne ein konstruktiver Austausch zwischen dem Projektteam der Philipps-Universität Marburg, Entscheidungsträgern moderat-islamistischer Parteien sowie Vertretern des Auswärtigen Amts, Parlamentariern und weiteren deutschen Experten dabei helfen, Vorurteile abzubauen und politische Umgangsformen gemäß der aktuellen Situation auszuloten.
„Uns ist es wichtig, einen offenen und inhaltlich fundierten Dialog zu führen, so dass die Reformkräfte innerhalb des islamistischen Spektrums durch dessen Einbindung in eine demokratische Debattenkultur gestärkt werden“, betont Projektmitarbeiterin Ivesa Lübben.
Im Rahmen des Projektes soll zu Tunesien und Libyen eine Länderkonferenz beziehungsweise ein Expertenseminar unter Miteinbeziehung moderat-islamistischer Entscheidungsträger durchgeführt werden. Zu Ägypten verfassen die Wissenschaftler dagegen regelmäßig Kurzanalysen. Sie sollen einer inhaltlichen Kontinuität zwischen allen Beteiligten dienen.
Ergänzend werden ein Gespräch mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie ein Expertenseminar im Auswärtigen Amt stattfinden. Des Weiteren ist ein transnationaler Wissenschaftler-Austausch mit Forschern aus der Region geplant, die zu Fragen des Politischen Islams arbeiten. Zur Feldforschung reist das Projektteam Dihstelhoff, Lübben und Reichinnek nach Tunesien, Libyen, Katar und Großbritannien, in die Türkei und die USA sowie nach Berlin.
„Wir verfolgen eine formale und inhaltliche Kontinuitätssicherung“, erläutert Ouaissa weitere Projektziele. „Diese äußert sich erstens durch den Aufbau einer Projekthomepage, über die bisherige und zukünftige Ergebnisse gesichert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Zweitens soll die Kontaktpflege zu islamistischen Akteuren über den Projektfokus hinaus weiterhin gewährleistet werden.“
pm: Philipps-Universität
Text 9709 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2014 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg