21.01.2008 (jnl)
Sie kamen, spielten und eroberten die Herzen. Das Pariser Chanson-Kabarett "Karpatt" gastierte am Sonntag (20. Januar) in der
Waggonhalle.
Fred, Hervé und Gaetan feierten den krönenden Abschluss ihrer ersten Deutschland-Tournee vor einem begeistert mitgehenden Publikum. Aus einem bestuhlten Konzert wurde unversehens ein Lach- und Tanzfest.
Drei verwegen aussehende Mannsbilder Mitte dreißig verwandelten die Bühne in einen musikalischen Zauberkessel. Chansons à la "Têtes raides", Hot-Club-Swing und Java-Rhythmen reichten sich die Hände.
Kein Stück legte los ohne launige Ansage und kleine theatralische Einlagen der drei Akteure. Man fühlte sich erinnert an die Gruppe "Liederjan" zu ihren besten Zeiten.
Das Konzert hob an über einer Walzer-Tanzweise. "Dans la rue du jardin" und die folgenden Stücke zeigten hohes instrumentales Können.
Lead-Gitarrrist Gaetan brillierte als Gitarren-Virtuose mit atemberaubend temporeichen Melodie-Linien. Leadsänger Fred steuerte dazu die Rhytmusgitarren-Riffs bei. Der Kontrabassist Hervé unterlegte das Ganze mit kunstreichem Zupfen und mit dem Streichbogen. Beim fünften Stück wechselte der Frontmann dann von der Gitarre zum traditionellen Knopfakkordeon.
Große Teile des 100-köpfigen Publikums wurden ohne viel Federlesens zum Mitsingen gewonnen. Binnen kurzem sah man reihum im Publikum viele aufstehen, um mitzutanzen.
In erstaunlichem Maße erwiesen sich alle drei Musiker als Multi-Instrumentalisten. Alle bedienten bei Bedarf per Fußpedal ausgelöste Drum-Samplings und Perkussionsklänge. Gaetan wechselte immer mal wieder auf eine im Draufsitzen zu bedienende Talking Drum, improvisierte ein Trompetensolo auf einer
"Flüstertüte" und übernahm auch mal eben den Bass. Allgemeine Verblüffung lösten die von den dreien virtuos mehrstimmig ausgeführten Flötenton-Folgen nur mit gespitztem Mündern aus.
Die Themen der Chansons waren alltagsnah. Jemand freut sich auf das Hunde-Ausführen, weil er dabei der schönen Nachbarin nachstellen kann. Im Bistro stellt jemand kleine boshafte Beobachtungen an. In "Car je suis une mouche" wurde das kurze, lustvolle Leben einer Stubenfliege nicht nur erzählt, sondern mit gekonnt nachgeahmten Geräuschen untermalt.
Als Running Gag liefen in den Ansagen zahlreiche selbstironische Anspielungen auf die noch sehr begrenzten Deutschkenntnisse der drei Franzosen. Als sie schließlich mit einem frisch entstandenen deutschen Songtext antraten, kannte der Beifall kaum ein Halten.
Angesichts dieses fulminanten Auftritts sollte dem Trio "Karpatt" mit ein bißchen Glück eine lange Karriere auch in Deutschland gelingen.
Jürgen Neitzel
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