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Verwischt


"Nachtsicht" erhält Hessischen Schultheaterpreis

30.05.2014 (fjh)
Mitten ins Schwarze getroffen haben die elf blinden, sehbehinderten und sehenden Schauspieler der Marburger Theatergruppe "Nachtsicht" mit ihrem Stück "Fadenkreuz". Nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Jury des Hessischen Schultheaterpreises zeigte sich von der Eigenproduktion unter der Regie und choreographischen Leitung von Karin Winkelsträter begeistert. Sie lobte insbesondere die körperliche Präsenz der Darstellerinnen und Darsteller sowie die eigenständige Auseinandersetzung mit dem Thema "Erwachsenwerden".
Die Gruppe "Nachtsicht" besteht in wechselnder Besetzung bereits seit vielen Jahren. Sie wird von der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) unterstützt. Sie gehört zu insgesamt zehn hessischen Schultheatergruppen, die 2014 mit dem - mit 1.500 Euro dotierten - Hessischen Schultheaterpreis ausgezeichnet werden.
Verbunden mit der Auszeichnung ist die Teilnahme am Hessischen Schultheatertreffen von Montag (21. Juli) bis Mittwoch (23. Juli) in Seligenstadt. Dort präsentiert die Gruppe "Nachtsicht" ihr Stück "Fadenkreuz" am Montag (21. Juli) um 20 Uhr in der Einhardschule Seligenstadt.
In den mittlerweile 17 Jahren Theaterarbeit an der BliStA ist "Fadenkreuz" bereits die sechste Produktion, die mit dem Hessischen Schultheaterpreis ausgezeichnet wurde. Im aktuellen Stück finden sich die jugendlichen Darsteller durch alte Ängste und neue Erwartungen gefesselt im "Fadenkreuz" wieder, im gefährlichen Balanceakt zwischen ausgelassener Jugend und dem drohenden "Ernst des Lebens".
Dieser Zwiespalt drückt sich in vielfältiger Weise aus. Jeder macht seinen Gefühlen Luft, wie er kann: manche singen, andere tanzen; es wird musiziert, und mitten aus der Dunkelheit erklingt plötzlich eine menschliche "Beatbox".
Zwischen den Stühlen sitzen die Spieler und Spielerinnen jedoch alle. Das gilt nicht nur im übertragenen, sondern auch im - sorgsam choreografierten - bildlichen Sinne. Bewegung ist dabei das wesentliche Element.
Trotzig schneiden die Jugendlichen Grimassen, verziehen spöttisch Mundwinkel, verschränken empört Arme oder stampfen zornig mit den Füßen. Die säuberlich vorgeschriebene Stuhlordnung wird buchstäblich auf den Kopf gestellt.
Auf den Kopf gestellt werden die Weltbilder der Zuschauer jedoch nicht nur durch diese mimische und gestische Fülle, sondern auch durch gelegentlich aufgerollte Textpassagen: "Wenn dein Leben ein Buch wäre, wie hieße das nächste Kapitel?, Ist der Teufel zufrieden mit mir?, Wieso erlaubt sich die Welt den Luxus, mich zu haben? Warum sind die Sterne am Himmel so unordentlich verteilt?"
Wie auch die Interaktionen des Ensembles selbst folgen diese verbalen Einschübe keinem konsequenten roten Faden, sondern verbinden in ständiger Abwechslung verschiedene Aspekte des Erwachsenwerdens. Anpassung und Unabhängigkeit, Loslassen und Leistungsdruck, Orientierungslosigkeit und Sinnsuche sind Teil dieses schwierigen Werdegangs.
Dabei wird eine visuelle Geschichte erzählt, obwohl die meisten der Schauspieler nichts oder nur sehr wenig sehen. Also ist das Stück im besten Sinne ein inklusives Theatererlebnis für Zuschauer und Darsteller.
pm: Deutsche Blindenstudienanstalt
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