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Bauern-Parade


Traditionelles Wissen über nachhaltige Landwirtschaft

27.05.2014 (bmh)
Ein EU-Projekt mit Marburger Wissenschaftlern untersucht traditionelles Wissen von Bauern über nachhaltige Landwirtschaft.
„Nachhaltige Landwirtschaft lernt man nicht nur aus Lehrbüchern, sondern auch von Bauern, deren Kenntnisse jedoch in der Regel nirgendwo festgehalten sind“, sagte Diplom-Geograf Nicolai Dellmann von der Philipps-Universität. Er ist Mitarbeiter in einem EU-Projekt, das traditionelles Wissen von Bauern erfasst. Es setzt sich zum Ziel, dieses Wissen europaweit in der Ausbildung von Geografen und Landwirten zu verankern.
Die Arbeitsgruppe Regionalforschung und Regionalpolitik um Professor Dr. Markus Hassler untersucht in den kommenden drei Jahren erfolgreiche Beispiele nachhaltiger, extensiver Landwirtschaft. Mit ihnen zusammen arbeiten zehn Partner aus sieben europäischen Ländern. Darunter Universitäten mit dem Schwerpunkt Agrarwirtschaft, Landwirtschaftsschulen und Gebietskörperschaften. Das agrarökologische Projekt SAGITER („Savoirs agroécologiques et ingenieurité de territoires“) finanziert sich über „Leonardo“, einem EU-Programm zur Förderung lebenslangen Lernens. Initiator ist die staatliche französische landwirtschaftliche Ausbildungseinrichtung SupAgro Florac.
„Das intuitive Wissen von Bauern, zum Beispiel darüber, warum welche Pflanze an welchem Standort gut gedeiht, ist meist nicht kodifiziert und geht daher leicht verloren“, berichtete Dellmann. „In Frankreich haben wir zum Beispiel eine traditionelle, besonders effektive Methode der Baumveredelung kennengelernt, doch die Produzenten wussten nicht, warum sie so wirksam ist. Es wurde einfach schon immer so gemacht.", erklärte er. "Wir wollen dazu beitragen, traditionelles Erfahrungswissen über nachhaltige Anbaumethoden ans Tageslicht zu bringen und stärker ins Bewusstsein der Landwirte zu rücken.“
In der universitären Lehre und Ausbildung von Geografen und Landwirten steht bislang reines Faktenwissen im Vordergrund. „Das wollen wir ändern und bewusst machen, dass es auch auf Wissen über Zusammenhänge ankommt“, sagte Hassler. Doch wie lässt sich das lehren? Dafür gibt es noch keine geeigneten Methoden. „Wir entwickeln im Rahmen des Projektes ein Lernmodul für die Geografen-Ausbildung, das den Studierenden vermitteln soll, wie sie nicht-kodifiziertem Wissen über nachhaltige Anbauformen auf die Spur kommen“, erläuterte Hassler die Absicht des Projekts.
In Galizien befassen sich die Wissenschaftler mit dem Produzenten einer seltenen Hopfensorte. In Hessen werden beispielsweise Apfelweinproduzenten im Landkreis Marburg-Biedenkopf sowie im Großraum Frankfurt untersucht. Diese verarbeiten Früchte von Streuobstwiesen aus der gesamten Region und stellen sortenreine Ökoweine und -säfte her. Die Marburger Geografen untersuchen auch, unter welchen Bedingungen die Landwirte produzieren. Im Falle der Kelterei ist zum Beispiel der Rückgang der Streuobstwiesen eine Herausforderung. Zudem interessiert die Wissenschaftler, welche Netzwerke von Produzenten und Fachleuten sich rund um einen nachhaltig wirtschaftenden Betrieb entwickelt. Von weiterem Interesse sind auch die daraus enstehenden Produktideen sowie Vermarktungskonzepte.
Die Verbindung von landwirtschaftlicher Produktion und Lebensform interessiert die Geografen ebenfalls. „In manchen Gegenden von Spanien, Frankreich oder Osteuropa gibt es noch viele Teilzeit-Bauern. Dieses Modell ist in Deutschland selten geworden. Wir wollen wissen, unter welchen Bedingungen es funktionieren kann“, sagte Dellmann. „In Dortmund beschäftigen wir uns mit einem solidarischen Hof, auf dem bald auch Studierende mit anpacken und dadurch Wissen für sie begreifbar wird. Im Raum Marburg haben wir uns mit dem Hof Fleckenbühl befasst, wo nachhaltige Agrarproduktion und Suchthilfe Hand in Hand gehen.“ Soziale Landwirtschaft ist jedoch ein eigenes Thema, das das Team um Hassler in einem weiteren europaweiten Projekt bearbeiten möchte.
pm: Philipps-Universität Marburg
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