Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

In Spiegelwelten


Überraschende Version von Othello

20.05.2014 (bmh)
Es wird um die „ewigen Triebfedern menschlichen Handelns“ gehen. So beschreibt das TheaterGegenstand sein neues Stück „ENTRASST! oder das Bleichgesicht von Venedig“. Die Inszenierung feiert am Donnerstag (29. Mai) um 20 Uhr Premiere in der Waggonhalle.
Die zeitgenössisch überarbeitete Variante des Shakespeare-Stücks „Othello“ verspricht Überraschungen. Die Figuren sind auf Othello, Jago, Desdemona und zwei, im Original nicht vorkommende Ministerinnen beschränkt. Diese Charaktere begegnen sich in einer Spiegelwelt des Original-Othello, die weder eine genaue räumliche noch zeitliche Begrenzung hat.
Untergebene werden zu Herren und Herren zu Dienern. Tote werden lebendig, während die Ministerinnen - ähnlich einem antiken Chor- eine kommentierende und persiflierende Funktion haben. Gleichzeitig sind sie aber auch eine Art übermächtige Schatteneminenz, die die Geschicke der Protagonisten lenkt.
Die schauspielerische Darbietung wird durch visuelle und akustische Kommentare ergänzt. Es gibt Live-Musik und eine Videowand.
Insgesamt sei das Stück eher als Parodie auf Shakespeare zu sehen, denn als Versuch einer originalgetreuen Inszenierung, sagte Chefdramaturgin Inga Blix. Ein Beispiel ist das Diktatoren-Gewinnspiel. Dabei wird mit einem Videospiel ermittelt, wer der beste Diktator ist.
Diese Parodie kann aber auch ernsthafte Töne anschlagen. Bei allem Humor soll es auch um Themen wie Fremdheit, Diskriminierung, individuelle und kollektive Politik gehen.
„Wie können Menschen andere Menschen regieren, wenn sie nicht in der Lage sind, sich selbst zu regieren?“, fragte Nina Karen. Die Spanierin führt bei dieser Inszenierung Regie.
„ENTRASST!“ soll auch eine Kritik sein, an politischen und religiösen Extremen, sowie an der Unfähigkeit individuelle Bedürfnisse kollektiv umzusetzen. Außerdem kritisiert das Stück, dass scheinbar triviale Merkmale, wie etwa Hautfarbe, in vielen Kulturen immer noch eine große Rolle spielen.
Auch die Charaktere tauschen während des Stückes ihre Hautfarben. Der bei dieser Inszenierung immer wieder aufkommenden Rassismus-Debatte war sich Karen anfangs nicht bewusst. Kritisiert wird dabei die überkommene Praxis des „Blackfacing“.
Bei dieser Praxis schminken sich weiße als schwarze Menschen. Auch in „ENTRASST!“ kommt es zum Blackfacing. Hier geschieht das allerdings nicht als Prämisse, sondern als Teil der Geschichte und Bühneninszenierung. Das Spiel mit Symbolen und Bedeutungen soll nicht schockieren, aber zum Nachdenken über die Gesellschaft und uns selbst anregen, erklärte Karen.
Alle Beteiligten betonten die bereichernde Wirkung des multikulturellen Projekts. Karen kommt aus Spanien, der Autor Némer Salamún aus Syrien, Übersetzer und Darsteller Matt Dressler ist halber Engländer, die anderen Schauspieler Hubert Klinger, Julia Messerschmidt, Frauke Oberländer und Leticia Wahl, sowie Blix stammen aus Deutschland.
Erst im März begannen die Proben. Am Himmelfahrtstag wagt sich das Ensemble bereits auf die Bühne der Waggonhalle. Den Schauspielern darf man die Daumen drücken, dass ihr Beitrag zum Shakespeare-Jahr kein Himmelfahrtskommando wird.
Benjamin Habeth
Text 9360 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2014 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg