Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Spirale der Gewalt


Theaterlabor beeindruckte mit der Orestie des Aischylos

05.05.2014 (fjh)
Leises Flüstern erhebt sich im Raum. Gestalten in dunklen Jogginganzügen mit Kapuzen verteilen sich auf der Bühne. Jede Person wiederholt ständig das selbe Wort, wobei alle wiederum andere Wörter flüstern.
Eindrucksvoll begann am Sonntag (4. Mai) in der Galeria Classica "Die Orestie des Aischylos" in der Übersetzung von Peter Stein. Jugendliche des Theaterlabors beim Hessischen Landestheater Marburg hatten den antiken Klassiker unter der Regie von Ogün Derendeli und Franziska Knetsch einstudiert.
Zehn Jahre nach dem Auszug in den Trojanischen Krieg kehrt König Agamemnon zurück. Der Herrscher des Atridengeschlechts hat die befeindete Stadt in Schutt und Asche gelegt. Um jedoch überhaupt nach Troja zu gelangen, hatte er seine eigene Tocher Iphigenie geopfert.
Seine Frau Klytaimestra erwartet ihren Gemahl am Königshof. Sie bereitet ihm ein Bad und ermordet ihn dabei aus Rache dafür, dass er ihre gemeinsame Tochter getötet hat.
Diesen Mord wiederum rächt ihr Sohn Orestes. So zieht eine Bluttat die nächste nach sich.
Rache und Vergeltung sowie die sich ständig weiterdrehende Spirale der Gewalt sind absolut aktuelle Themen. Gerade in Zeiten der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine hat der mehr als 2.000 Jahre Alte Stoff des Aischylos nichts an Aktualität eingebüßt.
Erfreulicherweise haben die beiden Regisseure ihre Inszenierung aber nicht gewaltsam auf modern getrimmt, sondern den Stoff zeitlos auf die Bühne gebracht. Eine tragende Rolle spielte dabei der Chor, der das Geschehen ankündigte oder kommentierte. Mal verkörperte er das Volk, das dem mörderischen Treiben der Mächtigen ohnmächtig zuschauen muss, mal die Erynnien, die den Tod des Orest als notwendige Sühne für seine Bluttat an der eigenen Mutter einfordern.
Alle Darsteller haben ihre Rollen dabei mit so erstaunlicher Überzeugungskraft verkörpert, dass man kaum glauben mochte, dass sie keine professionellen Schauspieler sind. Pit Balbierer, Marcel Beyer, Christiane Cochoy, Annika Egenolf, Charlotte Finger, Johanna Gehrisch, Lydia Giessler, Marie-Theres Gröne, Tami Haenke, Elena Heibel, Marie-Theres Krack, Gerrit Lange, Lea Liepe, Janis Loewe, Sophia Nevermann, Joan Schaaf, Anna Scheffler, Michael Schmidt, Caroline Stockmann, Ruth Thomas, Patrick Wagner und Kathrin Wernerd beeindruckten nicht nur mit überwältigender Spielfreude, sondern durchaus auch mit schauspielerischem Talent. Herausheben könnte man allenfalls die Leistungen der eiskalt berechnenden Klytaimestra, von Tami Hänke als ohnmächtig anklagende Kassandra oder des ob seines Schicksals verzweifelnden Orest.
Auflösen kann die Göttin Athene den Widerstreit zwischen Abschreckung und Gerechtigkeit einerseits sowie Verzeihung und Nachsicht andererseits durch den Hinweis auf das gemeinsame Ziel der Vertreter beider Positionen. Letztlich wollen schließlich alle eine menschliche und lebenswerte Welt.
Nach zwei Stunden sehr sehenswerter Darstellung spendete das überwiegend junge Publikum den Schauspielern im Alter von 20 bis 27 Jahren zu Recht langanhaltenden Applaus. Besonders die begeisterten Ovationen für die beiden Regisseure haben Derendeli und Knetsch sich angesichts dieser durchweg beeindruckenden Leistungen absolut verdient.
Franz-Josef Hanke
Text 9304 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2014 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg