19.04.2014 (fjh)
Abwählen will der Kreistag Marburg-Biedenkopf den Ersten Kreisbeigeordneten Dr. Karsten McGovern. Er soll Platz machen für einen Hauptamtlichen der CDU als Vize der Kreisverwaltung. So will die neue Koalition im Kreishaus die personellen Grundlagen für die Zusammenarbeit unter der direkt gewählten SPD-Landrätin Kirsten Fründt schaffen.
Dieses Geschachere um Pfründe und Pöstchen entfremdet die Menschen im
Landkreis Marburg-Biedenkopf allerdings noch weiter von der Politik. Offenkundig betrachten die Parteien den Landkreis und die Positionen darin als ihre Beute. Hauptamtliche werden ein- oder abgesetzt wie Schachfiguren.
Die Linke im Kreistag kritisiert das geplante Vorgehen der Koalitionsfraktionen bei der Außerordentlichen Kreistagssitzung am Freitag (25. April). In offener Abstimmung sollen die Abgeordneten McGovern dort aus dem Amt jagen.
Das hat der Grünen-Politiker nicht verdient. Selbst
wenn man mit seiner Politik nicht in allen Punkthen übereinstimmt, muss man ihm auf vielen Gebieten aber eine solide, sachorientierte und auch im Ergebnis gute Arbeit bescheinigen. In der Sozialpolitik, beim Einsatz erneuerbarer Energien und auch auf dem Gebiet des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖBNV) verfügt McGovern über Kenntnisse, die sich ein Nachfolger erst mühevoll aneignen müsste.
Fortjagen wie einen Hund darf ein Parlament Politiker überdies nur, wenn sie sich Verfehlungen gröberer Art zuschulden haben kommen lassen. Dergleichen wirft dem bisherigen Kreisbeigeordneten aber niemand vor. Er ist nur der Macht- und Pöstchengier anderer Politiker im Weg.
Anscheinend sehen das auch Kommunalpolitiker in der neuen Koalition ähnlich. Vermutlich deswegen will Kreistagsvorsitzender Detlef Ruffert sie durch die offene Abstimmung an abweichendem Stimmverhalten hindern.
Sowohl die Parlamentarier wie auch McGovern haben aber ein Recht auf eine geheime Abstimmung. Das verlang die Demokratie.
Abgeordnete sind allein ihrem Gewissen und dem Wählerwillen verpflichtet. Parteien haben nur die Aufgabe, ihnen im Dschungel der "Sachzwänge" und der unterschiedlichen Lebensbereiche bei der Entwicklung von Positionen behilflich zu sein. Ins Parlament wählt man jedoch Abgeordnete und nicht Parteien.
Gerade die Hessische Kommunalverfassung belegt das eindrücklich. Die Wahlberechtigten dürfen kumulieren und panaschieren. Sie können also mehrere Stimmen auf einen Bewerber anhäufen und Kandidaten verschiedener Parteien auswählen. Landräte dürfen sie direkt wählen.
Angesichts dessen sollten die Parteien ihre Rolle nicht überstrapazieren. Ohnehin sind sie mit ihrem Machtanspruch eine wesentliche Quelle für die weit verbreitete Verdrossenheit vieler Bürger an der Politik.
Koalitionsdisziplin ist ein zutiefst undemokratischer Ausdruck des Machtanspruchs der Parteien über ihre Vertreter in den Parlamenten. Koalitionsdisziplin beraubt die Parlamente ihrer Rolle als Erste Gewalt und degradiert sie zum Wurmfortsatz der Exekutive.
Eine geheime Abstimmung würde den Druck verringern, den die Parteien auf einzelne Parlamentarier ausüben könnten. Zudem gäbe sie McGovern das Mindestmaß an Würde zurück, das er in seiner jahrelangen Arbeit allemal verdient hat. Eine offene Abstimmung hingegen würde seine Abwahl als eine unwichtige Randerscheinung erscheinen lassen.
Sollte der Kreistag dennoch anders handeln und über die Abwahl offen abstimmen, so würde die Entscheidung damit rechtlich fragwürdig. Vor allem aber verlören die Politiker dadurch noch mehr an Ansehen als bisher schon. Eine offene Abstimmung zeigt nämlich ganz deutlich, dass es bei der Abwahl McGoverns allein darum geht, selbst gegen Hemmungen von Politikern der Koalitionsfraktionen Platz zu schaffen für eigene Pflichtgestalten.
Franz-Josef Hanke
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