02.04.2014 (fjh)
"Die Zeit zerstört, was ohne sie geschieht." Mit diesen Worten ermahnt der blinde Seher Teiresias die kritische Antigone zur Gedulg. Die Nichte des Königs indes stellt die Mahct ihres Onkels Kreon hartnäckig in Frage.
Mit der Tragödie "Antigone" von Sophokles gastierte die "Compagnie sac à dos" aus Brüssel am Dienstag (2. April) im Rahmen der 19. Hessischen Kinder- und Jugendtheaterwoche in Marburg. Eng bestuhlt mit unbequemen Bänken war die Black Box des
Hessischen Landestheaters Marburg; doch offenbar störte das die zahlreich erschienen Besucher nicht.
Zunächst entschuldigten sich Patrick Huysmans und Susan Yeats auf Englisch für ihre schlechten Deutschkenntnisse. Doch dann schlüpften die beiden Schauspieler aus Belgien in alle Rollen des Klassikers aus dem antiken Athen. Gelegentliche Fehler in der Aussprache überspielten sie dabei mit viel Charme und Witz.
Die Macht ihres Onkels über Leben und Tod will Antigone nicht akzeptieren. Kreon erwidert ihr, die Weisen Thebens hätten ihn zum König ernannt. Jemand müsse schließlich das Gesetz ausführen, das dem Volk ein friedliches Zusammenleben garantiere.
Ismene warnt ihre Schwester vor Ungehorsam gegen den König. Doch Antigone bleibt bei ihrer Kritik. Vor allem den Kampf der jungen Männer im Krieg kann sie nicht hinnehmen.
Als ein feindlicher Bogenschütze einen Pfeil auf Antigones Bruder Polyneikes abschießt, wirft sich Eteokles dazwischen. Polyneikes trauert um seinen älteren Bruder; doch Kreon befiehlt ihm, weiterzukämpfen.
Polyneikes ignoriert diesen Befehl des Königs. Auf Verlangen des Volks verurteilt Kreon ihn zum Tod.
Antigone will ihren hingerichteten Bruder bestatten. Doch damit missachtet auch sie einen Befehl Kreons.
"Es gibt ein höheres Gesetz als das des Königs", erklärt sie ihrem Onkel. Doch er sieht sich gezwungen, das Recht durchzusetzen und seine Nichte in einer Höhle dem Hungertod preiszugeben.
Das Theaterstück über Macht und Recht, Krieg und Frieden haben die beiden Brüsseler Akteure ausgesprochen anschaulich und kurzweilig auf die Bühne gebracht. Die antike Vorlage haben sie pfiffigerweise mit Zitaten aus der biblischen Schöpfungsgeschichte unterfüttert. Ständig schlüppften sie während der Vorstellung in wechselnde Rollen.
Dabei präsentierten sie das eigentlich auf Französisch inszenierte Drama auch noch auf Deutsch. Allein diese sprachliche Anpassung an den Spielort verdient schon höchste Bewunderung. Hinzu kamen aber auch noch Spielfreude, Witz und eine sensible Interaktion mit dem - großenteils jugendlichen - Publikum.
Langanhaltender Applaus dankte den beiden Brüsselern für diese Flexibilität und ihre eindrucksvolle Vermittlung philosophischer Fragen auf amüsante Weise. Ohne allzuviel Anpasssung an moderne Sehgewohnheiten bewiesen Yeats und Huysmans mit einfachen Mitteln, dass der griechische Klassiker auch 2.450 Jahre nach seiner Uraufführung noch nichts an Aktualität verloren hat.
Franz-Josef Hanke
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