Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Zu klein


Mit Wissen und Worten gegen das Vergessen

20.03.2014 (kha)
"Ich bin zu klein, um den großen Wert dessen, was wir hier heute haben, ermessen zu können." Mit diesem hebräischen Zitat läutete Amnon Orbach von der Jüdischen Gemeinde Marburg am Mittwoch (19. März) in der Synagoge einen Abend "Gegen das Vergessen" ein.
Eine der beiden Säulen dieses Abends bildete Avi Primor. Er war bis 1999 Botschafter Israels in Deutschland. Noch heute ist er Vorsitzender der Israelischen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Zunächst wurde ihm die Ehre zuteil, sich in das goldene Buch der Universitätsstadt Marburg einzutragen. In seinem darauffolgenden Vortrag sollte es sich dann - zumindest laut Titel - um das Verhältnis zwischen Europa und Israel drehen.
Diesen Plan verwarf er jedoch mit der Begründung "Europa kennen Sie ja schon". Also referierte er überzeugend und mit rhetorischem Geschick über die Lage im Nahen Osten, den palästinensisch-israelischen Konflikt und die Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika (USA).
All das bündelte er schließlich in der These, dass zur Lösung des Nahostkonflikts zunächst einmal die Sicherheitsfrage gelöst werden müsse. Den Völkern mangele es nicht an Verhandlungsbereitschaft, solange sie einen starken Verbündeten an ihrer Seite wissen, der die Sicherheit der jeweiligen Bevölkerung gewährleisten kann.
Die andere Hälfte des Abends füllte Ursula Illert, die mit der musikalischen Untermalung von Cellistin Anka Hirsch aus dem Buch "Lyrik gegen das Vergessen" vorlas. Das Werk enthält eine Vielzahl von Gedichten, die alle in Konzentrationslagern oder auf dem Weg dorthin entstanden sind und sich um Themen wie Hunger, Angst und Tod, aber auch Liebe und Träume drehen.
So las sie das Gedicht eines elfjährigen Mädchens, das auf beklemmende Weise den Transport in ein Konzentrationslager schildert. Es beschreibt wie die Räder des Zuges den nahenden Tod ankündigen als könnten sie sprechen. Und immerwieder stellt das Kind die Frage: "Warum?".
Auch wenn dem Mädchen, wie Illert hinzufügte, zwar im Chaos des Zielbahnhofs die Flucht gelang, bildete dieses Schicksal doch die Ausnahme. Die Sprecherin scheute sich auch nicht, in den Gedichten zitierte Kinderlieder vorzusingen.
Insgesamt entstand an diesem Abend ein harmonisches Gesamtbild aus Information und Gefühl, Wissensvermittlung und Reflexion. Denn wir sind vielleicht auch zu klein um jemals die Gesamtheit dessen, was zur Zeit des Holocaust geschah, ganz ermessen zu können.
Katharina Hahn
Text 9158 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2014 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg