14.02.2014 (ang)
Ein neuartiges Behandlungskonzept für Betroffene sogenannter "somatoformer Beschwerden" bietet die Verhaltenstherapeutische Ambulanz der
Justus-Liebig-Universität Gießen und die Psychotherapie-Ambulanz Marburg (PAM) am Fachbereich Psychologie der
Philipps-Universität. Unter medizinisch ungeklärten Körperbeschwerden – "auch somatoforme Beschwerden" genannt – versteht man körperliche Symptome, für die trotz sorgfältiger ärztlicher Diagnostik keine eindeutige organische Ursache gefunden wurde.
Solche Beschwerden sind vielfältig und können alle Körperteile betreffen. Die häufigsten Beschwerden sind Schmerzen im Rücken, im Kopf, in den Gelenken oder im Bauch sowie Schwindel, Schweißausbrüche, Herz- und Atembeschwerden. Auch Lähmungserscheinungen, Hautirritationen, Seh- und Hörprobleme können auftreten.
Besonders problematisch sind in der Regel nicht nur die körperlichen Beschwerden selbst. Auch ihre Begleiterscheinungen wie Stimmungsschwankungen, Konzentrationsprobleme und Beeinträchtigungen im sozialen Leben belasten Betroffene.
Körperbeschwerden unklarer Herkunft sind sehr weit verbreitet. Studien haben gezeigt, dass Ärzte bei fast jedem fünften Patienten dessen Symptome nicht mit einer körperlichen Ursache erklären können.
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse konnten zeigen, dass der Entstehung medizinisch unerklärter Körperbeschwerden ein komplexes Wechselspiel zugrundeliegt. Das kann die genetische Veranlagung, biologische Besonderheiten, aber auch spezielle Prozesse der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitung sowie Sozialisations- und Lernprozesse betreffen.
Daher greift eine rein organmedizinische Sichtweise dieser Symptome zu kurz. Ein Zusammenspiel dieser Faktoren kann körperliche Beschwerden erzeugen, ohne dass krankhafte organische Veränderungen festgestellt werden können.
Psychologische Behandlungsansätze setzen an diesen verschiedenen Faktoren an und versuchen, vor allem die Beeinträchtigungen, die Betroffene aufgrund der Beschwerden erleben, zu reduzieren und deren Lebensqualität zu verbessern. In wissenschaftlichen Studien weisen daher psychologische Therapiekonzepte für die Behandlung gute Erfolgsaussichten auf.
In Rahmen eines Behandlungsprojekts wird an verschiedenen Standorten unter Leitung von Prof. Dr. Winfried Rief von der Philipps-Universität ein neuartiges Behandlungskonzept für Betroffene mit somatoformen Beschwerden eingesetzt. Dabei wird versucht, die bereits bewährte Therapieform – kognitive Verhaltenstherapie – weiter zu verbessern und zu optimieren.
Vergleichen will das wissenschaftlich begleitete Behandlungsprojekt die bereits bewährte Therapieform mit einer neuen Therapieform (ENCERT). Diese neue Therapieform integriert die bewährten Methoden der Verhaltenstherapie und Techniken zur Regulation von negativen Emotionen.
Diese beiden Therapieformen entsprechen dem neuesten Stand der Wissenschaft. Die Ergebnisse einer bereits abgeschlossenen Pilot-Studie konnten zeigen, dass Patienten, die chronisch an medizinisch unerklärten Körperbeschwerden leiden, durch beide Behandlungsverfahren beachtliche Verbesserungen hinsichtlich ihrer Lebensqualität und ihres Funktionsniveaus im Alltag erzielen konnten.
Das aktuelle wissenschaftliche Projekt soll nun gezielt untersuchen, inwieweit durch die Erweiterungen der bewährten kognitiven die Therapieeffekte hinsichtlich der körperlichen Symptome – insbesondere auch dauerhaft - vergrößert werden können. Zudem soll untersucht werden, ob sich zusätzliche - mit den Körperbeschwerden verbundene - Probleme während der Therapie verbessern.
Die beiden Universitäten bieten ab Februar 2014 die verhaltenstherapeutischen Behandlungsprogramme im Rahmen eines Forschungsprojekts an. Das Therapieprojekt richtet sich an Personen, die seit mindestens sechs Monaten unter mindestens drei körperlichen Beschwerden ohne eindeutige organische Ursache leiden. Interessenten können sich an beide Ambulanzen wenden.
pm: Philipps-Universität Marburg
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