23.11.2013 (fjh)
"Krieg ist, wenn Kinder gezwungen werden, ihre eigenen Eltern mit Macheten zu ermorden und ihre Dörfer zu verbrennen." Auf diese drastische Beschreibung brachte die Psychologin Nina Winkler ihre Erfahrungen aus der Arbeit mit ehemaligen Kindersoldaten in Uganda.
Mit dem Peter-Becker-Preis für Friedens- und Konfliktforschung wurden am Freitag (22. November) in der Aula der Alten Universität die FriedensforscherinDr. Rama Mani und das Komitee für Grundrechte und Demokratie ausgezeichnet. Winkler erhielt für ihre Arbeit den Nachwuchspreis. Mit insgesamt 10.000 Euro Preisgeld ist der - von der
Philipps-Universität vergebene - Peter-Becker-Preis die am höchsten dotierte Auszeichnung für Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland.
In geschliffenem Englisch skizzierte Prof. Dr. Claudia von Braunmühl die Arbeit der Hauptpreisträgerin. Auf der einen Seite forsche Mani zu brennenden Fragen des Friedens, der Friedensstiftung und ihrer Voraussetzungen. Auf der anderen Seite sei sie Mitglied in Gremien, die politische Wege zu gerechtem und nachhaltigem Frieden aufzeigen und in diesem Sinne beraten.
In ihrer wissenschaftlichen Arbeit beschreibe Mani die Bedingungen für wirksame Konfliktlösungen. Die gebürtige Inderin legt dabei Wert auf gegenseitigen Respekt vor der Kultur und der Tradition der beteiligten Konfliktparteien. Derzeit arbeitet sie nach eigener Aussage an einem Buch über die kreative Kraft von Kultur als Schlüssel zu unorthodoxen Konfliktlösungen.
Ihr Preisgeld von 5.000 Euro bezeichnete Mani als fünf Samen, mit denen sie die Opfer ermutigen wolle, die oft erleben, dass ihr Leiden nicht gesehen oder gehört wird. In einer Gedankenreise stellte sie vier Friedensaktivisten auf vier Kontinenten vor, denen sie diese "Samen" stellvertretend als Ermutigung zuordnete.
Ein Rechtsanwalt in ihrem Geburtsland Indien habe sein Leben im Wohlstand aufgegeben, um sich als obdachloser Bettler an der Seite der Ureinwohner für deren Kampf gegen die Vertreibung von ihrem angestammten Land durch Minenkonzerne einzusetzen. Eine Stammesälteste in Neuseeland setze sich neben dem Schutz der angestammten Ländereien auch für die Bildung von Mädchen ein. Eine Friedensaktivistin in Afrika kümmere sich um Frauen, die bei kriegerischen Handlungen vergewaltigt wurden. Eine ehemalige palästinensische Ministerin organisiere gemeinsame Veranstaltungen von Jugendlichen aus Israel und Palästina.
Den zweiten Preis erhielt das Komittee für Grundrechte und Demokratie. Seit 1980 engagiert sich die Bürgerrechtsorganisation stark in der Friedensarbeit. Ihr erfolgreichstes Projekt "Ferien vom Krieg" führt Kinder und Jugendliche aus Kriegsgebieten fernab der Gefahrenzone zu gemeinsamen Freizeitcamps mit Gleichaltrigen der jeweiligen Gegenpartei zusammen.
Ein weiteres Vorhaben des Komittees stellte Andreas Buro vor. Bei diesem "Projekt Münchhausen" will das Komittee Lügen sammeln und publizieren, mit denen Kriege legitimiert wurden und werden.
Am 30. Jahrestag des NATO-Nachrüstungsbeschlusses im Deutschen Bundestag erinnerte Buro an zahlreiche Aktivitäten in der Friedensbewegung, an denen seine Organisation maßgeblich beteiligt gewesen sei. Außerdem hat das Komittee durch "Demonstrationsbeobachter" zur Vermeidung von Gewalt und zur Deeskalation polizeilicher Maßnahmen bei Protestaktionen beigetragen.
Die Nachwuchspreisträgerin Winkler hat ein Handbuch erstellt, mit dem sie umfangreiche Ansätze zur Traumatherapie für Kriegsopfer auflistet. Da ehemalige Kindersoldaten in den Nachkriegsgesellschaften meist stigmatisiert werden, umfasst ihr Ansatz neben psychologischer Traumatherapie auch Trainings zu Gewaltfreiheit, politische Aufklärung und die Einbeziehung der gesamten Gesellschaft.
Bereits zum fünften Mal wurde der Peter-Becker-Preis nun vergeben. Seine besondere Qualität liegt darin, dass er Friedensforschung mit praktischen Aktivitäten zur Umsetzung ihrer Ergebnisse verbindet.
Mani beispielsweise arbeitet in der Organisation "Agents " mit. Winkler hat die Organisation "Victim"s Voices" (VIVO) mitgegründet, um den Opfern eine eigene Stimme zu geben. Beide sind zudem als Beraterinnen für Unterorganisationen der Vereinten Nationen (UN) tätig.
Beeindruckt äußerte sich der Preisstifter Dr. Peter Becker zum Abschluss der Feierstunde. Die Arbeit der Preisträgerinnen und Preisträger sei ein sehr ermutigendes Signal. Die Anwesenden werden diese Wahrnehmung wohl größtenteils uneingeschränkt teilen.
Franz-Josef Hanke
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