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Die heilige Johanna der Schlachthöfe

30.09.2013 (fjh)
"Lecker Suppe!" Mit diesem Angebot empfingen die Darsteller in der Galeria Classica das Publikum beim Betreten des Theatersaals. In einer Inszenierung von Marc Becker feierte "Die heilige Johanna der Schlachthöfe"von Bertolt Brecht,Elisabeth Hauptmann und Emil Burri dort am Sonntag (29. September) Premiere.
An einem großen Tisch schneiden Männer in weißen Lackwesten Zwiebeln oder brutzeln Würste. Schinken hängen an langen Stangen über ihnen. Eine Reihe schmuckloser Spinde charakterisiert die triste Arbeitsatmosphäre eines Schlachthofs.
In rhythmischen Chor exklamieren die Schauspieler die Gesetze des Marktes: "Wehe! Ewig undurchsichtig sind die Gesetze der menschlichen Wirtschaft!" Immer schneller wiederholen sie diesen Sprechgesang, der mit der Feststellung endet: "Den Letzten beißen die Hunde."
Eine kleine Schar schwarz behüteter Leute nähert sich den Arbeitenden. Die "Schwarzen Strohhüte" bringen den Arbeitern der Fleischfabrik Suppe und Gott. Dabei sprechen auch sie rhythmische Gebetsfloskeln.
Wie in einer Fernsehshow werden die Einzelnen Personen nach ihrem "Missgeschick" befragt. Eine wollte lieber in der Lutherischen Pfarrkirche bei Michael Kohlhaas mitspielen als in dem ehemaligen Autohaus. Doch mit dem Verweis, dass für einen guten Christen Gott überall nahe ist, wird ihr Einwand beiseitegeschoben mit einem "Danke für Dein Missgeschick! Halleluja!".
Johanna Dark gehört auch zu den "Schwarzen Strohhüten". Sie sieht das Elend der Fabrikarbeiter und möchte es an der Wurzel bekämpfen.
Ohne Rücksicht auf die Einwände der "Schwarzen Strohhüte" geht sie allein zu dem Fleichfabrikanten Mauler. Wegen eines dramatischen Preisverfalls hat er die Arbeiter seiner Fabrik entlassen. Nun fordert Johanna ihn auf, die ruhende Produktion wieder aufzunehmen.
Tatsächlich kauft Mauler die gesamte Konservenproduktion der Chikagoer Fabriken auf, dann das gesamte Vieh der Rinderzüchter von Arizona. Doch mit diesen Warentermingeschäften drückt Mauler seine Konkurrenten gnadenlos an die Wand und wird zum Monopolisten.
Nur drei Viertel der einstigen Belegschaft erhalten noch Arbeit. Dafür bekommen sie auch nur noch drei Viertel ihres früheren Lohns.
Daraufhin kommt es zum Generalstreik. Johanna reiht sich ein bei den Gewerkschaften. Doch Gewalt lehnt sie nach wie vor ab.
Als Titelheldin Johanna zeigte Marlene Hoffmann großes Ausdrucksvermögen. Fast noch besser agierte Victoria Schmidt als Maulers eiskalte Assistentin Slift sowie in einer weiteren Rolle als gefühlsduselige Strohhut-Heilsarmistin Martha.
Tom Bartels brachte die durchaus widersprüchliche Persönlichkeit des Fleischfabrikanten Mauler gekonnt zum Ausdruck. Auch Michael Köckritz und Daniel Sempf überzeugten gleich in mehreren Rollen.
Einige pfiffige Ideen brachten die Thematik in aktuellen Bezügen zum Ausdruck. Besonders gelungen war dabei die karikierende Darstellung der "Schwarzen Strohhüte" als missionierende Showtruppe. An anderen Stellen waren die Gags jedoch zu bemüht und albern oder die aktuelle Darstellung überstrapaziert.
Insgesamt war die Premiere allerdings recht gelungen. Minutenlanger Applaus legte davon ein eindeutiges Zeugnis ab.
Zurück blieb das Nachdenken über Gewalt und Gegengewalt sowie die Strukturen in Gesellschaft und Wirtschaft, die vielen Menschen tagtäglich Gewalt antun. Allein schon wegen dieses brandaktuellen und hochbrisanten Themas ist Brechts Theaterstück in Beckers mitunter kurzweiliger Inszenierung absolut zu empfehlen.
Franz-Josef Hanke
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