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Schweinigeile Provinz


Eine Betrachtung zum Uni-Sommerfest

28.06.2008 (sts)
Eigentlich hätten die Veranstalter des Uni-Sommerfests am Freitag (27. Juni) viel Geld sparen können. Denn in Zeiten des allgegenwärtigen EM-Taumels bedarf es ja nur eines Menschen, der möglichst lautstark Dinge in ein Mikrofon brüllt wie "Finale, ohhoo“ oder den Anfang von Seven Nation Army, "Daaaa, daaa, da, da, da, da, daaa“, damit Party-Stimmung aufkommt.
Wer braucht denn schon abgehalfterte Live-Bands wie "H-Blockx“ oder künstlich gehypte Nachwuchs-Musiker wie "Madsen“? Es geht doch viel einfacher. Schließlich intonierten die bierseligen Besucher des Uni-Sommerfests auch lange nach Ende der "you-fm“-Disconacht im Partyzelt noch eben diese beiden Gassenhauer.
Apropos Bierseligkeit: Die kam ebenfalls nicht von ungefähr. Die Licher-Brauerei, deren grüne Oasen allüberall auf dem Festgelände leuchteten, hatte nämlich mitgedacht. Neben den obligatorischen 0,3-Liter-Bechern gab es dort auch die ein-Liter-XXL-Becher. Wer etwas auf sich hielt, der trug natürlich ein Plastik-Maß mit sich herum.
Und wer wirklich etwas auf sich hielt, der besorgte sich auch noch die ein Meter langen XXL-Trinkhalme dazu, um gemeinsam mit Freunden und Bekannten die XXL-Becher leer zu zuzeln. Ballermann-Kultur olé!
Oder besser "Täterä“. Die Spanier wollen uns schließlich noch "unseren“ Titel wegschnappen. Und wir sind zwar mindestens alle "schweinigeil“ und Papst sowieso, aber Europameister wollen wir auch sein: "Shalala, lala, la, lalalala“.
Doch zurück zum Uni-Sommerfest. Sieben Euro Eintritt verlangte man von den Besuchern. Das ist kein Preis, mit dem man (noch) studiengebührengeplagte, chronisch klamme Studenten anlockt. Doch die waren augenscheinlich auch nicht die Haupt-Zielgruppe.
Fast wie Franz Beckenbauer 1990 in Rom, wandelte der Universitätskanzler über den Festplatz, einsam und in sich gekehrt. Irgendwie schien er niemanden zu kennen und ihn schien auch niemand zu kennen.
Irrlichterndes Symbol verfehlter Festausrichtung? Vielleicht!
Doch irgendwie war das auch ein Weckruf: "Hallo Marburg, Eiland des intellektuellen Habitus inmitten der Provinz, heute stehen die Bauern im Mittelpunkt!“
Und sie waren alle da: Die Sonnenbank-Bauern, die Dauerwellen-Bauern, die Schläger-Bauern, die Motorrad-Bauern, die Proleten-Bauern, die Sauf-Bauern und die Bauer-Bauern. Das Fest bot ein Panoptikum der Provinz von Amöneburg bis Wohratal. Es sei ihnen gedankt!
Ja wirklich! Vielleicht haben sie mit ihrer Anwesenheit für das kommende Wintersemester ein Tutorium zur "Griechischen Keramik im 5. Jahrhundert vor Christus“ oder zur Frage der "Autonomie bei Kant“ finanziert. Hätten die Veranstalter noch auf die Bands vezichtet, dann wäre vielleicht auch noch eine halbe Stelle für eine wissenschaftliche Hilfskraft oder den ein oder anderen neuen Beamer drin gewesen. Vielleicht sind sie alle - faustologisch gesprochen - Teile jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft. Und das ist dann doch wirklich „schweinigeil“.
Stephan Sonntag
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