01.09.2013 (fjh)
"Mehr direkte Demokratie" fordert Dr. Michael Weber in allen Bereichen des Staates. Für die Piraten kandidiert der 44-jährige Chemiker am Sonntag (22. September) sowohl für einen Sitz im Deutschen Bundestag als auch für den Hessischen Landtag.
In vielen Bereichen habe sich die Politik von den Menschen und ihren Bedürfnissen weit entfernt. Lobbyisten aus Wirtschaft und Verbänden hätten größeren Einfluss auf Entcheidungen als die Bürger. Das möchte Weber ändern.
Eine Maßnahme dafür ist das Internetportal www.openantrag.de der Piratenpartei. Bürger können dort selber Anträge einstellen, die die Abgeordneten dann nach vorheriger Prüfung auf ihre Vereinbarkeit mit den Zielen der Piratenpartei in die Parlamente einbringen.
Auf Bundesebene müsse es ein Gesetz zur Abhaltung von Volksbegehren und Volksentscheiden geben. Das Grundgesetz sieht derartige Abstimmungen zwar vor; ihre Durchführung ist jedoch bis heute nicht gesetzlich geregelt.
Auf Landesebene will Weber die Quoren für Volksbegehren absenken. Die vorgeschriebene Zahl der benötigten Unterschriften zur Einbringung eines Volksbegehrens findet er unrealistisch hoch.
Vor der Privatisierung des Universitätsklinikums hatte er Ende 2005 eine Initiative zur Befragung der Bevölkerung auf den Weg gebracht. Sie scheiterte jedoch daran, dass innerhalb der vorgegebenen zwei Monate nicht die vorgeschriebenen 30.000 Unterschriften zustandekamen.
Die Privatisierung des Klinikums hält Weber trotzdem für verfassungswidrig. "Dem Vernehmen nach steht in dem Vertrag zwischen dem Land und dem Betreiber eine Klausel, die das Land bei einer Veröffentlichung des Vertragstexts zu einer hohen Konventionalstrafe verpflichtet", berichtet Weber. Einen Verkauf von Volkseigentum mit Geheimverträgen betrachtet er als undemokratisch und rechtlich unhaltbar.
Ein weiterer Punkt seiner Kritik in diesem Privatisierungsprozess ist die Partikeltherapie auf den Lahnbergen. Trotz teurer Investitionen in den Neubau und die Technik ist die seit einem halben Jahr fertiggestellte Anlage immer noch nicht in Betrieb. Dabei schätzt der Chemiker das neue Verfahren als hoch wirksam zur Bekämpfung unterschiedlicher Varianten von Krebserkrankungen ein.
Im Hochschulbereich plädiert Weber für eine Auflösung der gleichzeitigen Lehr- und Forschungsverpflichtung von Professorinnen und Professoren. Wesentlich günstiger für Forschung und Lehre sei es, wenn eine Professur nicht zwangsläufig an die Erfüllung beider Aufgaben geknüpft werde.
Den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) möchte der Kandidat künftig kostenlos anbieten. Ohnehin liege der Anteil der Fahrkarteneinnahmen an den Kosten bei nur 15 Prozent.
Den dafür benötigten Aufwand an Personal und Technik könne man dadurch ebenso einsparen wie die lästigen Kontrollen der Fahrgäste. Schlißen will Weber die durch den Wegfall der Fahrkarteneinnahmen entstehende Kostenlücke aus einer solidarischen Nahverkehrsabgabe, die alle Bürger unabhängig von der Nutzung der Verkehrsmittel entrichten.
Eine kostenfreie Benutzung des Nahverkehrs würde ihn zu einer attraktiven Alternative zum umweltschädlichen Auto machen. Zudem würden dadurch auch finanziell benachteiligte Menschen ermutigt, ihre Wege mit Bus und Bahn statt zu Fuß zurückzulegen.
Armut möchte der Pirat mit Hilfe eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) bekämpfen. Jeder Bürger vom Säugling bis zum Greis erhielte ohne vorherigen Antrag automatisch einen Grundbetrag, der den Lebensunterhalb knapp decken würde. Um einen angenehmen Lebensstandard zu sichern, müssten die Menschen dann zusätzliches Einkommen über bezahlte Arbeit erwerben.
Damit würde die Forderung nach einem Mindestlohn überflüssig. Ebenso wären dann auch belastende Kontrollen der Leistungsbezieher unnötig.
Weber istt sich sicher, dass das BGE früher oder später kommen wird. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis sich die Erkenntnis allgemein durchsetzen werde, dass damit ein hoher Verwaltungsaufwand sowie die Drangsalierung sozial benachteiligter Menschen zu vermeiden seien.
Ebenfalls eine Frage der Zeit ist nach Webers Einschätzung der Rückbau der Stadtautobahn B3A. Seiner Ansicht nach müsste das lärmende Ungetüm in einem Tunnel verschwinden.
Einen guten Anlass zur Verwirklichung dieser Forderung sieht er in einer Bundesgartenschau in Marburg. Gleichzeitig mit der Umwandlung der jetzigen Trasse am Lahnufer in einen Grünstreifen und ein attraktives Naherholungsgebiet könne die Universitätsstadt Marburg auch diese Straßenbaumaßnahme mit Zuschüssen von Bund und Land finanzieren.
Allerdings verlangt er auch für die Entscheidung, ob Marburg sich für die Bundesgartenschau bewerben soll, eine stärkere Einbeziehung der Bevölkerung. Ohnehin sei ja noch gar nicht ausgemacht, dass eine Bewerbung überhaupt erfolgreich verlaufen wird.
Für die demokratische Willensbildung solle man die moderne Informationstechnik nutzen, meint Weber. Der Pirat ist sich jedoch bewusst, dass ungefähr ein Sechstel der Bevölkerung keinen Zugang zum Internet haben. Auch sie dürften von Entscheidungsstrukturen nicht ausgeschlossen werden.
Allerdings betrachtet er den Zugang zum Internet als ein Grundrecht. Gleichtes gelte auch für die Netzneutralität und das Recht auf Privatheit.
Das massenhafte Abschöpfen von Daten durch die National Security Agency (NSA) zeigt für ihn, wie undemokratische sich Geheimdienste veralten. Eine Kontrolle derartiger Organisationen hält Weber für unmöglich. Deshalb fordert er die Abschaffung sowohl des Landesamts als auch den Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV).
Franz-Josef Hanke
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