21.06.2013 (als)
"Viel Lärm" um Einiges machte am Donnerstag (20. Juni) das
Hessische Landestheater Marburg bei der Premiere seines neuen Open-Air-Spektakels auf dem Marktplatz. Neu inszeniert von Regisseur Stephan Suschke, begeisterte William Shakespeares Stück "Viel Lärm um Nichts" durch die damals wie heute verwirrenden Beziehungen zwischen Mann und Frau.
Wie lässt sich ein Spektakel aus Liebeswirrungen und Intrigenspinnerei des 17. Jahrhunderts in die heutige Zeit übersetzen? Am besten genau so! Denn neben der Rollenverteilung der Geschlechter scheint sich in den Gefühlswelten von Verliebten und Ungeliebten nicht viel getan zu haben.
Konservative gegen Moderne zeigt sich im Vergleich des liebestollen Grafen Claudio aus Florenz und dem gefühlskalten paduanischen Edelmann Benedikt. Claudio möchte nichts, außer seine jungfräuliche Hero - verkörpert durch Sonka Vogt - heiraten. Benedikt hingegen hat der Liebe ebenso wie Heros heiratsunwillige Cousine Beatrice alias Franziska Knetsch abgeschworen.
Die Folge sind ein Hin und Her aus Schwärmerei und spitzzüngigem Schlagabtausch zwischen den Anbetern und Gegnern der Liebe. Natürlich darf aber auch in diesem Fall die Dramatik nicht zu kurz kommen.
Zunächst agierte Johannes Hubert als Prinz Don Pedro von Arragon noch als Kuppler zwischen Claudio und Hero. Als eifersüchtiger und missgünstiger Halbbruder Don Pedros spinnt Daniel Sempf als Don Juan jedoch bald seine Intrigen, um die bevorstehende Hochzeit zu verhindern. Nachdem das gelungen ist, liegt es dann an Hero, der Familie und dem Geliebten ihre moralische Unschuld zu beweisen.
Mit einer sprachlichen und visuellen Gradwanderung zwischen Klassik und Gegenwart stellt die Inszenierung die Vorherrschaft des Mannes und die Stigmatisierung nicht konformer Frauen im elisabethanischen Zeitalter dar. Nicht umsonst wählte Shakespeare den männlichen Namen "Hero" - zu deutsch "Held" - für seine gebeutelte Protagonistin.
Durch eine forsche, freigeistige Beatrice gelingt Suschke der Kontrast zu der damaligen Wertevorstellung. Die im Programmheft angesprochene "Vision der Emanzipation" ließ sich ansonsten jedoch vermissen bis anzweifeln. So wirkte der Mönch, der seine Hand beim Verlassen der Bühne auf das Gesäß seiner Beichttochter legte, eher widersprüchlich statt - wie gewollt - komisch.
Origineller gestaltete sich der ansonsten treffsichere Humor der Vorstellung. So brüllte beispielsweise der robuste Onkel der weiblichen Hauptrolle beim Wort "antun" lautstark "Welcher Anton?!" in sein Mikrofon. "Anton oder antun - das ist hier die Frage", philosophierte er nur wenig später in bedächtigem Ton vor sich hin.
Außerdem schien einer der Wachtmänner aus der hessischen Region zu kommen. Dementsprechend forderte er einen der Schurken auf, mit dem "Gebabbele" aufzuhören und titulierte ihn daraufhin als "Dollbohrer". Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte er das Marburger Publikum auf seiner Seite.
In der bemerkenswerten Kulisse des Historischen Rathauses schuf besonders die - einem "Tim-Burton-Film" ähnliche - Kleidung der Schauspieler eine authentische Atmosphäre. Perücken sowie weiße Schminke und dunkel umrahmte Augen unterstrichen zudem die ohnehin schon ausdrucksstarke Mimik und Gestik der Darsteller.
Besonders hervor stachen dabei die Schauspieler, die eine Doppelrolle zu bewältigen hatten. Martin Maecker als Benedikt sowie Tom Bartels als Claudio übernahmen beispielsweise auch die Rollen der treudummen Gefährten des Antagonisten Don Juan.
Wie die Hyänen aus König der Löwen schlichen sie um ihren "Herrn". Dass manch einer erst später ihre wahre Identität erkannte, spricht für die gekonnte Intonation und schauspielerische Leistung beider Darsteller.
Die Feuerartisten "Irrlicht & Irrsinn - Feuerspiel und Feuertanz" nutzten zudem die Gunst des guten Wetters und setzten besondere Open-Air-Akzente. Unterstützt wurden sie und die Schauspieler durch rhythmisch auf die Szenen abgestimmte Trommeleinlagen.
In schwarzer - fast unheimlicher - Kleidung trugen somit auch die Trommler wesentlich zur Atmosphäre des Abends bei. Ihrer Unterstützung und der Leistung aller Schauspieler verdankten Regisseur und Landestheater schließlich die positive Resonanz des Publikums.
Anna Schneider
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