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Abgenommen


RP verfügt endgültiges Aus für den Marktfrühschoppen

20.06.2013 (fjh)
Der Marktfrühschoppen wird nun doch nicht stattfinden. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung (StVV) eine Durchführung zunächst abgelehnt und Oberbürgermeister Egon Vaupel dann jedoch trotzdem keine rechtlichen Hindernisse gegen eine Durchführung gesehen hatte, hat das Regierungspräsidium Gießen (RPGI) die Entscheidung der StVV jetzt für bindend erklärt. Zudem habe nicht der Oberbürgermeister über die Durchführung des Marktfrühschoppens entscheiden dürfen, sondern lediglich der Magistrat der Universitätsstadt Marburg.
An der Veranstaltung gibt es seit Langem heftige Kritik. Begleitet wird sie bereits seit Jahrzehnten von massenhaften Protesten studentischer Gruppen.
Dabei richtet sich der Marktfrühschoppen angeblich an die Studierenden. Bei der Feier handele es sich um ein Fest der Oberstadtgemeinde für die Studenten, wurde behauptet.
Nachdem die Geschäftsleute der Oberstadtgemeinde allerdings bereits 2012 aus der Rolle des Veranstalters ausgestiegen waren und sich für dieses Besäufnis eigens ein "Marktfrühschoppenverein" gegründet hatte, wuchs die Kritik noch weiter an. Nach der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) war der Marktfrühschoppen auch von Wissenschaftlern als Vorfeldveranstaltung zur Verbreitung faschistoider Gesinnungen eingeschätzt worden. Dieser Haltung hatte sich zuletzt auch die StVV angeschlossen.
Beim Marktfrühschoppen treten Studentenverbindungen und Corps in ihrer spezifischen Kleidung mit Mützen und Schärpen auf. Viele dieser Vereinigungen grenzen sich nicht von Neonazis ab oder tun das nur halbherzig.
Die in der "Deutschen Burschenschaft" (DB) zusammengeschlossenen Verbindungen hatten bei ihrem Treffen im Frühjahr 2013 sogar über Aufnahmebedingungen debattiert, die Menschen ausländischer Herkunft ausgrenzen wollten. Zwar lehnte die Mehrheit diesen "Arier-Nachweis" ab, doch fand er innerhalb des Dachverbands durchaus auch etliche Befürworter.
Gegen die Durchführung des Marktfrühschoppens trotz des Beschlusses der StVV hatten zuletzt verschiedene politische Gruppen und Parteien sowie der Antifaschistische Ratschlag protestiert. Die Distanzierung von rechtem Gedankengut hatten sie den Veranstaltern nicht abgenommen. Zudem könne niemand verhindern, dass zu einem solchen Fest auch Vertreter faschistoider Haltungen auf den Marktplatz strömten.
Die Stadtverwaltung selbst hatte daraufhin ein Gutachten bei der Kommunalaufsicht im RP Gießen in Auftrag gegeben. Oberbürgermeister Vaupel hatte zuvor argumentiert, Polizei und Ordnungsbehörde hätten die Rechtsposition vertreten, dass der Marktfrühschoppen rechtlich nicht zu verhindern sei.
Dem widersprach jetzt jedoch der RP. Seine Weisung an die Stadt ist bindend.
Das Besäufnis reaktionärer und rechtslastiger Schreihälse wird 2013 also erstmals nicht auf dem Marktplatz stattfinden. Diese erfreuliche Tatsache entledigt die Stadt einer unseligen Tradition, die gerade angesichts der NSU-Morde absolut nicht hinnehmbar ist.
Dass Polizei und Ordnungsbehörde dem Oberbürgermeistr eine Durchführung empfohlen hatten, wirft ein bezeichnendes Licht auf ihr Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Man könnte argwöhnen, dort säßen möglicherweise Sympathisanten derjenigen Gesinnungen, die die Studentenverbindungen und Corporierten beim Marktfrühschoppen feiern. Allerdings wäre wohl jeder ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.
Franz-Josef Hanke
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