02.06.2013 (fjh)
Am Keyboard klimpert ein Mann gedankenverloren herum. Vor ihm wendet sich eine Frau ans Publikum und stimmt Lieder kurz an, die er dann begleitet, bis sie nach wenigen Takten wieder zu einem anderen Song wechselt. Dann fragt sie "Beginnen?", um sofort hinzuzusetzen: "Es hat bereits begonnen!"
Das zweite Programm der Marburger
Kabarettgruppe Durchblicker feierte am Samstag (1. Juni) Premiere auf der Bühne 2 der
Waggonhalle. Unter dem Titel "Makabarett - vom Baren, Stöhnen, Bluten" befassten sich die drei Darsteller vor vollem Haus mit dem bestimmenden Einfluss des großen Geldes auf das Gesundheitswesen.
Prof. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Schupper ist eigentlich Architekt. Ihm verdanken die Bürger das wunderschöne Universitätsklinikum. Dort operiert er nun sehr erfolgreich als Chirurg.
Der liebe Augustin ist sein wichtigster Patient. Im wahrsten Sinne des Wortes geht der Arzt ihm an die Nieren. Er braucht schließlich Ersatzteile für die nächsten Operationen.
Eine hübsche Krankenschwester ist ihm dabei zu Diensten. Die beiden holen wirklich alles aus Augustin heraus.
Makaber waren Auflistungen von Ergebnissen, die Firmen dem Chirurgen abverlangen. Die Schwester nannte Organe für andere Kliniken ebenso wie einen Toten täglich für die Sarghersteller.
Eher nachdenklich stimmten andere Passagen, wo Augustin über den Einfluss des Geldes auf die Gesellschaft nachdachte. Der Mensch wird zur Ware, die für das Bare stöhnen und bluten muss.
Dialoge mischten sich mit Liedern, die Chirurg Schupper an seinem Keyboard anstimmte. Mal sang er, mal sang oder sprach Augustin die gereimten Texte dazu.
"Zehn kleine Negerlein" gingen dann bei verschiedenen Operationen verloren. "Souvenirs" behielten der Chirurg und seine schöne Krankenschwester von manchem Patienten zurück.
Verzweifelt stöhnte Augustin, weil er nicht wollte, dass der Chirurg aus seinem Magen Pferdefleisch herausholte oder gar ein Hufeisen. Danach ritt die Kavallerie über die Bühne.
Dem Clown Augustin verlieh Pruniella Fuchs durch eine gekonnt gebrochene Aussprache á la Charly Rivel eine eher ulkige Note. Seine Opferrolle betonte sie dadurch sehr überzeugend, wohingegen sie ihn Hochdeutsch sprechen ließ, als er dem Arzt selbstbewusst entgegentrat.
Jochen Schäfer gab nicht nur dem Arzt und architekten Schupper die Überzeugungskraft eines überlegenen Machers; an seinem Keyboard sorgte er auch souverän für die musikalische Untermalung der zahlreichen Songs im Revueprogramm Mit großer Leichtigkeit sang und spielte er oder sprach mit fester Stimme die Schwester oder den Patienten an.
Als Krankenschwester überraschte Julia Konkel durch große Bühnenpräsenz und Überzeugungskraft. Gestik und Mimik fielen bei der jungen Nachwuchs-Darstellerin allerdings noch ein wenig hinter Intonation und Aussprache zurück.
Nach ihrem ersten Programm "
Klinikummer - verloren in den Weiten des Univers(itätsklinik)ums" haben die Durchblicker auch mit "Makabarett" wieder die Kommerzialisierung und Unmenschlichkeit des sogenannten "Gesundheitswesen" angeprangert. Wie bei ihrem ersten Programm scheuten sich die Kabarettisten auch in ihrem neuen Stück nicht vor makabren Anspielungen auf die Blindheit ihres Hauptdarstellers Schupper.
Alle drei Darsteller haben ihre Rollen ausgezeichnet verkörpert. Dem Stück indes war anzumerken, dass Autorin und Regisseurin Fuchs sich nicht eindeutig zwischen Kabarett und Theater hatte entscheiden können. In jedem Fall bot "Makabarett" aber einen teils vergnüglichen und teils verstörenden Abend mit hintersinnigen Pointen und Anregungen.
Franz-Josef Hanke
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