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Plädoyer für Personalisierung


Nicht ein Kraut gegen Krebs, sondern viele

09.05.2013 (fjh)
Gegen Krebs ist nicht ein Kraut gewachsen, sondern viele. So lässt sich zusammenfassen, was Mediziner um Prof. Dr. Thorsten Stiewe und Dr. Oleg Timofeev von der Philipps-Universität herausgefunden haben.
Die beteiligten Forscher aus Marburg und Würzburg untersuchten, wie ein wichtiges Protein wirkt, das normalerweise Krebs verhindert. Das Molekül nutzt demnach viele verschiedene Mechanismen, um vor den unterschiedlichen Krebsarten zu schützen, schreiben die Wissenschaftler in der Ausgabe der frei zugänglichen Zeitschrift "Cell Reports“ vom Donnerstag (9. Mai).
Beim Versuch, Genveränderungen zu erkennen, die Krebs verursachen, sind Wissenschaftler immer wieder auf das Gen p53 gestoßen, das in vielen Krebszellen auf die eine oder andere Weise abgewandelt ist. "Mehr als 50 Prozent aller Krebspatienten tragen Mutationen im Gen p53 oder aber in Genen, die p53 beeinflussen“, erläuterte Seniorautor Stiewe. Anscheinend können Tumore nur entstehen, wenn p53 nicht ordnungsgemäß funktioniert.
Das Molekül wirkt Krebserkrankungen auf mehreren Wegen entgegen, wie Stiewe darlegte: "Zum einen fördert p53 die zelleigene Reparatur der Erbsubstanz DNA, wodurch Schädigungen beseitigt werden. Man spricht daher auch vom Wächter des Genoms.“
Das Protein könne aber auch die Zellteilung stoppen, damit DNA-Schäden, wenn sie denn einmal aufgetreten sind, nicht an Tochterzellen weitergegeben werden. Und falls das Erbgut extrem geschädigt ist, aktiviert p53 sogar ein zelleigenes Selbstmordprogramm, durch das eine bösartig entartete Zelle für immer aus dem Organismus verbannt wird.
Stiewe und seine Kollegen konnten bereits vor geraumer Zeit zeigen, dass sich die zellschützenden und die zelltötenden Wirkungen des Moleküls experimentell trennen lassen. Um Zellen abzutöten, müssen nämlich mehrere p53-Moleküle miteinander in Kontakt treten.
"Sie müssen sich quasi die Hände reichen, um Hand in Hand auf den Zelltod hinzuarbeiten“, veranschaulichte Stiewe die Interaktion. Für die zellschützenden Wirkungen ist diese molekulare Zusammenarbeit dagegen nicht nötig.
Um die Funktionsweise von p53 genauer aufzuklären, haben die Forscher einen Mausstamm erzeugt, dessen p53-Gen künstlich verändert ist. Die Kontaktstellen, an denen die Moleküle normalerweise interagieren, sind entfernt.
p53 ist in den betroffenen Tieren nicht in der Lage, Zellen abzutöten, behält aber seine zellschützenden Funktionen. Die Mäuse sterben bereits im Alter von etwa einem Jahr an Krebs, während sie normalerweise zwei bis drei Jahre alt werden.
Fehlt p53 gar vollständig, so verenden die betroffenen Mäuse noch früher. Allerdings sterben sie dann an ganz anderen Arten von Krebs.
"Die zellschützenden und zelltötenden Funktionen von p53 bewahren dessen Träger vor unterschiedlichen Krebsformen“, fasste Stiewe zusammen. "Ein vollkommener lebenslanger Schutz ist nur dann garantiert, wenn alle Funktionen intakt sind.“
Offenbar gibt es keine pauschale Möglichkeit, Krebs zu bekämpfen, schlussfolgert Studienleiter Stiewe aus den Ergebnissen der Experimente. "Selbst die Natur nutzt unterschiedliche Wege, um diese Erkrankung zu verhindern."
Den gegenwärtigen Trend zu einer "personalisierten Medizin" – einer an den jeweiligen Patienten und deren individuellem Krankheitsbild angepassten Therapie – hält der Krebsforscher daher für vielversprechend. "Die Natur macht es nicht anders."
Stiewe arbeitet am Institut für Molekularbiologie und Tumorforschung. Seit 2007 lehrt er Molekulare Onkologie an der Philipps-Universität.
Er gehört der Klinischen Forschergruppe 210 zur "Genetik der Wirkstoffresistenz bei Krebs“ und weiteren Verbünden der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an. 2011 erhielt Stiewe einen "Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC). Die Studie wurde von der DFG, dem European Research Council, der Deutschen Krebshilfe, der von-Behring-Röntgen-Stiftung, dem Land Hessen sowie der Deutschen José-Carreras-Leukämie-Stiftung unterstützt.
pm: Philipps-Universität Marburg
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