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Kritik ist Menschenrecht


Pelzig stellt sich drei kurze Stunden lang

10.04.2013 (fjh)
Schon mit den ersten drei Sätzen hatte er die Lacher auf seiner Seite. Fast drei Stunden lang unterhielt Frank-Markus Barwasser am Dienstag (9. April) das Publikum in der ausverkauften Stadthalle dann mit einem fulminanten Feuerwerk von beißender Satire und feinsinnigen Sprachspielen. "Pelzig stellt sich" heißt das neue Programm des Franken, der vor allem durch die Fernsehsendung "Neues aus der Anstalt" bekanntgeworden ist.
"Das letzte Mal war ich vor sechs Jahren hier", erinnerte sich Barwasser zu Beginn seines Auftritts. "Heute wird wohl das letzte Mal in dieser Halle hier sein", fügte er hinzu. "Aber um die ist es auch nicht schade."
Der Begriff "cognitive Dissonanz" durchzog sein Programm dann wie ein roter Faden. Darunter verstehe man das Auseinanderklaffen zwischen Vorstellungen und der Wirklichkeit. Besonders deutlich werde das in der Politik.
"Wenn die Wirklichkeit nicht mit der Vorstellung übereinstimmt, dann muss man sie sich halt schönreden", erklärte Barwasser alias Pelzig. Besonders deutlich sehen könne man das bei der FDP.
Zu beobachten sei das Phänomen aber auch bei der Demokrati Der Kabarettist fragte sich, ob sie die Herrschaft des Volkes ist oder die Herrschaft der "Märkte".
Er schlug vor, Wahlentscheidungen doch wie einst die antiken Griechen durch Losentscheid zu treffen. Schlimmer als jetzt könne das Ergebnis sicherlich nicht werden.
"Was qualifiziert eine Rundfunk- und Fernsehtechnikerin dazu, Ministerin für Verbraucherschutz zu werden?" An diese Frage schloss Pelzig gleich die nächste an: "Warum ist der Wirtschaftsminister Arzt?"
Mit Hilfe von Losen, die knapp die Hälfte der Veranstaltungsbesucher beim Einlass erhalten hatte, verteilte Barwasser nun politische Aufgaben. Eine Verlagsangestellte im Publikum wurde so Wirtschaftsministerin. Ein anderer Besucher wurde zum Bundespräsidenten gekürt.
Ähnlich mache es auch die Bundeskanzlerin bei ihren Entscheidungen zur Euro-Krise, mutmaßte Pelzig. Angela Merkel habe doch auch keine Ahnung, was in Europa geschehen werde. Wahrscheinlich werfe sie Knochen mit eingeritzten Zeichen und entscheide dann nach deren Lage im Feuer.
Die Euro-Krise bezeichnete Barwasser als riesigen Raub. Wenn es heiße, irgendwo seien Millionen oder Milliarden "verschwunden", dann müsste dieses Geld doch irgendwo geblieben sein. "Wer hat es jetzt?"
Bitterböse waren manche von Pelzigs Pointen Hart ging er gelegentlich an die Grenzen des guten Geschmacks, doch nie überschritt er sie.
Mehrmals bewies er komisches Talent, wenn er mit sich selbst in gleich drei unterschiedlichen Rollen mit völlig veränderten Stimmlagen diskutierte. Mitten im Satz sprang er dabei gekonnt von einer in die andere Gestalt und traf sofort die richtige Tonlage.
Seine beiden Alter-Egos kritisierten Pelzigs Auftritte im Fernsehen. Er wiederum nahm die Äußerungen des konservativen Akademikers auseinander, der sein schlechtes Gewissen mit dem Kauf fairer Waren beruhigen wollte. Faire Produkte könnten ungerechte Verhältnisse vor der Tür aber nicht verhindern, meinte der Kabarettist.
Nach drei Stunden brillianter Satire verließ der Kabarettist schließlich die Bühne untr donnerndem Applaus. Minutenlange Beifallsstürme entlockten ihm noch zwei Zugaben, mit denen er auch die zuvor ausgeloste "Wirtschaftsministerin" rasch wieder entthronte. Das ihr in einem Umschlag zurückerstattete Eintrittsgeld hätte sie nicht annehmen dürfen.
Franz-Josef Hanke
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