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Vor Pohl gekuscht


Linke kritisiert Kniefall vor großem Geld

14.03.2013 (jnl)
Den massiven Einfluss von großen Kapitalgesellschaften auf die Marburger Stadtpolitik betrachtet Die Linke mit großer Sorge. Insbesondere
die Art, in der die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) versucht, der Stadt Marburg ihren Stempel aufzudrücken, hat schon in der Vergangenheit von der Marburger Linken heftigen Widerspruch erfahren.
Um die kommunale Demokratie zu erhalten und auszubauen, müsse der Reichtum in
der Stadt angemessen zur Kasse gebeten werden, anstatt ihm rote Teppiche auszurollen. Die Marburger Linke besteht darauf, dass die zentralen stadtentwicklungs-, bau – und verkehrspolitischen Entscheidungen nicht vom Gutdünken, den
persönlichen Vorlieben oder unternehmenspolitischen Planungen eines Großinvestors, der sich selbst als Patriarch bezeichnet, dominiert, sondern von den
demokratisch gewählten Gremien der Universitätsstadt Marburg sorgfältig diskutiert und entschieden werden.
Der Abriss eines denkmalgeschützen Hauses an
der Rosenstraße, das den Plänen der DVAG weichen musste, das Nordviertel umzugestalten, spreche ebenso Bände für eine "Stadtpolitik, die finanzkräftigen
Investoren den roten Teppich ausrollt", wie die öffentlich mit viel Spott goutierte Aussetzung von Rechtschreibregeln bei der Benennung einer Straße.
Die Linke erwartet, dass die demokratisch legitimierte Stadtregierung sich nicht vornehmlich an den vermeintlichen Interessen von angeblich 60.000
die Stadt besuchenden Vermögensberatern, sondern an denen der gesamten Marburger Bevölkerung orientiert. Ihr ist der Magistrat genauso wie die Stadtverordnetenversammlung (StVV) in erster Linie verpflichtet und nicht den Wünschen und Interessen eines einzelnen Milliardärs und Firmenchefs.
Die Marburger Linke ist der Auffassung,
dass die alte Universitätsstadt an der Lahn zu schön, zu vielschichtig und vielfältig ist, als zu einem einzigen großen Ausbildungs-, Freizeit- und Konsumressort der DVAG entwickelt zu werden. Die Stadt habe es nicht nötig, vom großen Geld aus einem Dornröschenschlaf geweckt und beflügelt zu werden.
Die StVV sei kein Bittstellergremium, das mit Hurra-Rufen wie zu Kaisers Zeiten großzügige Spenden zu bejubeln und den Spenderwillen abzunicken hat. Sie sei keinesfalls - weder rechtlich noch moralisch- verpflichtet, drei Millionen für einen Schrägaufzug zu beschließen, nur weil eine Privatperson sich einen solchen Lift wünscht.
Die Marburger Linke lässt sich vom großen Geld weder kaufen noch einschüchtern: "Wir lassen uns den Mund nicht verbieten. Von unseren WählerInnen haben wir
den Auftrag erhalten, die Stadtentwicklung kritisch zu begleiten und uns für eine Stadt für alle Menschen einzusetzen. Ausdrücklich gehört dazu, dass große
Geld angemessen zur Kasse zu bitten, um unter Anderem Armut und Erwerbslosigkeit zu bekämpfen."
Prof. Dr. Reinfried Pohl werde damit leben müssen, dass sich eine Fraktion in der StVV nicht seinem vermeintlich edlen Spenderwillen verpflichtet fühlt, sondern den vielen Menschen, die zwar den Reichtum
in dieser Gesellschaft erarbeiten, aber nicht in den Genuss der Früchte ihrer Arbeit kommen. "Andere Parteien – ob im Bund oder in Marburg – mögen sich über Parteispenden von Herrn Dr. Reinfried Pohl und seinem Firmenimperium freuen. Die Marburger
Linke lehnt Parteispenden von Unternehmen ab. Sie bergen immer die Gefahr, dass Politik käuflich wird."
Gerechte Steuern sind notwendig, um ein Gemeinwesen und seine vielen Aufgaben zu bezahlen. Anders als der Eindruck, den Pohl erweckt,
ist das Erfüllen der Steuerpflicht keine freiwillige Goodwill-Angelegenheit, sondern eine gesetzliche Pflicht. Viele tausende Marburger zahlen regelmäßig
ihre Steuern.
Die Marburger Linke hält auch nichts davon, ein Unternehmen zu hofieren, das von der Angst der Menschen lebt, ihren Lebensstandard nicht halten zu können. Das gilt nicht nur für die Kunden, sondern auch für die "selbständigen" Vermögensberater, deren Einkommen von ihrer "Überzeugungskraft" abhängt, Produkte der mit der DVAG verflochtenen Firmen zu verkaufen oder selbst neue Vermögensberater zu gewinnen.
Das Pohl-Imperium könne dabei auf die Parteien zählen,
die von ihm großzügig unterstützt werden und die die sozialen Sicherungssysteme derart durchlöchert haben, dass die Menschen sich bei Firmen vom Schlage der
DVAG "Rat" holen müssen, um sich privat abzusichern. Es sei jedoch ein Ausdruck verkehrter Verhältnisse, wenn ein Mann wie Pohl mit solchen Finanzgeschäften, deren Methoden von vielen scharf kritisiert
werden, ein Privatvermögen von mehreren Milliarden anhäuft, während auf der anderen Seite Millionen Menschen in gesellschaftlich wichtigen Tätigkeitsfeldern zu Löhnen arbeiten müssen, die kaum zum Leben reichen.
"Im Finanzmarktkapitalismus werden die Reichen reicher und die Armen ärmer", betonte die Linkspartei. "In der Bahnhofstraße
müssen viele Frauen in prekären Verhältnissen im Einzelhandel jobben; im benachbarten Waldtal müssen viele Menschen von Hartz IV leben, während im vom
Dr. Reinfried Pohl gestalteten Rosenpark für 175 Euro pro Person mit einem Starkoch gekocht und geschlemmt wird . Die Ungerechtigkeit dieser Gesellschaftsordnung - die Spaltung in arm und reich - bekommt im Marburger Nordviertel ihr ganz konkretes Gesicht."
Wenn sich das große Geld einer gerechten Besteuerung entzieht, dann fehlen diese Steuereinahmen für dringend erforderliche Investitionen und Ausgaben im
Bildungs- und Sozialbereich, für bezahlbaren öffentlichen Wohnungsbau, für die Schiene, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und den sozialökologischen Umbau. Wenn Pohl damit wirbt, einen seiner Firmensitze aus Liebe zur Stadt nach Marburg verlagert zu haben, müsse gefragt werden dürfen, ob neben romantischen Gefühlen zu seinem Lebensmittelpunkt auch der niedrige Gewerbesteuer-Hebesatz, der extra vom Oberbürgermeister Egon Vaupel gesenkt wurde, für diese Entscheidung eine Rolle gespielt hat.
Nach eigenen Angaben hat die DVAG in den Jahren 1996 bis 2010 76 Millionen Euro an Gewerbesteuer an
die Stadt Marburg gezahlt. Wenn er seinen Firmensitz in Frankfurt am Main belassen hätte, hätte Pohl 17,3 Millionen Euro mehr Gewerbesteuer zahlen müssen. Um
diesen Unterschied auszugleichen, müsste noch viel gespendet werden.
Zudem zeigt ein Blick auf die Zahlen: Ein höherer Gewerbesteuer-Hebesatz, wie ihn die
Marburger Linke fordert, würde deutlich mehr Einnahmen in den städtischen Haushalt einbringen als die Gewerbesteuereinnahmen, die die Stadt von der DVAG
erhält. Für die Marburger Linke ist das Verhalten des Magistrats, im Dumping-Wettbewerb mit den anderen Städten und Gemeinden um den niedrigsten Gewerbesteuer-Hebesatz zu konkurrieren, zutiefst kritikwürdig. Was im Zeichen von Standortkonkurrenz und Wettbewerb für eine einzelne Kommune scheinbar Sinn ergibt, schade am Ende der öffentlichen Hand und damit allen Bürgern, die auf einen gut finanzierten Sozialstaat angewiesen sind.
Die Linke werde dem großen Geld weder den roten Teppich auslegen, noch in den devoten Personenkult um einen Unternehmenspatriarchen einstimmen: "Dafür geben wir uns nicht her."
pm: Fraktion Marburger Linke in der StVV
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