05.03.2013 (fjh)
Je früher Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen behandelt werden und je klarer den Eltern Problematik und Behandlung sind, desto besser ist das Behandlungsergebnis. Diese Erkenntnis ist das Resultat einer Erhebung, die Wissenschaftler der
Philipps-Universität im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) durchgeführt haben, um den Erfolg einer qualitätsgesicherten Versorgung zu untersuchen.
"Die ambulant arbeitenden Spezialisten behandeln vielfältig und wirksam“, fasste der Marburger Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. Fritz Mattejat die Ergebnisse der Studie zusammen. "Und die Behandlungen helfen den Patienten.“ Der Leiter der Arbeitsgruppe Therapieevaluation an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Philipps-Universität präsentierte die Ergebnisse der Studie am Montag (4. März) bei einem Werkstattgespräch der KBV in Berlin.
Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen stellen in Praxen, die sich um Kinder- und Jugendliche mit Verhaltensproblemen kümmern, die größte Patientengruppe. Die Häufigkeit der Diagnose ist in den letzten Jahren stark angestiegen.
Meist bekommen die Kinder Ergotherapie, Medikamente oder auch Trainings und Psychotherapie. Häufig werden sie aber von unterschiedlichen Behandlern betreut, die oftmals nichts von den Behandlungsbemühungen ihrer Kollegen wissen.
Um die verschiedenen ambulant tätigen Ärzte und Therapeuten besser miteinander zu vernetzen und für alle Patienten Diagnostik und Behandlung auf einem hohen Niveau sicherzustellen, wurde 2009 in Baden-Württemberg ein Vertrag zur qualitätsgesicherten Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS eingeführt. "Der ADHS-Vertrag verbessert die Versorgung der betroffenen Kinder und Jugendlichen“, berichtete Mattejat. Seine Arbeitsgruppe Therapieevaluation hat den Erfolg dieses Vertrags wissenschaftlich untersucht.
"Je mehr die zentralen Aspekte des Vertrages umgesetzt wurden, desto besser fällt das Ergebnis der Behandlung aus“, fasste der Psychiater die Untersuchungsergebnisse zusammen. Für die Studie haben die Marburger Forscher mit 25 ambulanten Praxen zusammengearbeitet. Elf Kinder- und Jugendpsychiater, neun Kinderärzte sowie fünf Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten haben insgesamt 228 ihrer Patienten für die Studienteilnahme gewinnen können.
Die Hälfte davon war in den Vertrag zur qualitätsgesicherten Versorgung eingeschrieben. Der Rest wurde unabhängig von der Vereinbarung versorgt.
Die Marburger Arbeitsgruppe befragte die Eltern
der Patienten in regelmäßigen Abständen. Außerdem erhob sie Informationen über die durchgeführte Diagnostik, die Behandlungen und die Symptombelastungen der Patienten.
Dabei zeigte sich, dass die Störungen der Patienten sorgfältig diagnostiziert wurden. "Das Klischee vom überlasteten Weißkittel, der das Kind einmal kurz anschaut und dann zum Rezeptblock greift, hat in den von uns untersuchten Praxen keine Gültigkeit“, berichtete Mattejat.
"Nur ein verschwindend geringer Teil der Patienten bekommt lediglich Medikamente, ohne dass weitere Therapien durchgeführt werden“, ergänzte die Psychologin Katja John. Sie ist die Koordinatorin der Studie.
„Die meisten Patienten erhalten eine sogenannte "multimodale Behandlung". Darunter verstehen die Wissenschaftler eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen, die zum Beispiel auch intensive Arbeit mit den Eltern umfassen.
Nach einem Jahr Studiendauer zeigten sich signifikante Verbesserungen der Symptomatik der Patienten. Das gilt insbesondere für die Aufmerksamkeitsprobleme der Kinder und Jugendlichen.
"Es wird deutlich, dass der ADHS-Vertrag an der richtigen Stelle ansetzt", resümierte Mattejat. "So konnten wir etwa zeigen, dass das Ergebnis einer Behandlung umso günstiger ausfällt, je klarer den Eltern ist, was die Diagnose für ihr Kind bedeutet und wie die Behandlung aussehen wird. Außerdem ist es wichtig, mit der Behandlung früh zu beginnen, bevor sich die Symptomatik verfestigt.“
Auch in Hessen gibt es Überlegungen, einen Vertrag auszuhandeln, um die Versorgung von betroffenen Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Aus Sicht der Marburger Therapieforscher ist das zu begrüßen
pm: Philipps-Universität Marburg
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