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Liebe


Hagen Rether, Kuscheltiere und die verrückte Welt

17.02.2013 (nmf)
Mit seinem Programm "Liebe" trat der preisgekrönte politische Kabarettist Hagen Rether aus Essen am Samstag (16. Februar) in der gut gefüllten Stadthalle auf. Zahlreiche Zuschauer kamen bereits zum dritten Mal, um Rethers "bitterböse Pointen“ mitzubekommen.
Oft verspricht das deutsche Kabarett nicht viel, wenn das Gefühl entsteht, es würden nur langweilige Wortspiele aneinandergereiht. Wenn dann noch hinzukommt, dass Themen wiedergegeben werden, die die Presse in den vergangen Wochen bereits en masse behandelt hat, bleibt die Unterhaltung oft auf der Strecke.
Anders ist das bei Rether. Obwohl er über seine Bandscheiben klagte und innerhalb seines dreistündigen Programms nur zwischen seinem Schreibtischstuhl und einer Praxisliege hin- und herwechselte, war das Publikum bestens unterhalten.
Zum Beispiel sprach Rether über den deutschen Wutbürger. Er verstehe nicht, warum Menschen sich lautstark über etwas aufregen, ohne Lösungen beisteuern zu können. Diese Tatsache habe er bereits 1989 in der Schule gelernt.
Das Wort "Wutbürger“ fand er traurig. Es lasse darauf schließen, dass keine Besserung in Sicht sei. Viel passender sei das Wort "Schmerzbürger“, da der Schmerz etwas Behandelbares sei und man mit Hoffnung auch Besserung erreichen könne.
Mit passenden Vergleichen untermalte Rether seine Aussagen und brachte das Publikum damit zum Schmunzeln. Er appellierte daran, dass man zuerst bei sich selbst anfangen solle, Dinge zu ändern, bevor man sie in der Allgemeinheit verurteilt. Zum Beispiel sei es nicht nachvollziehbar, dass Menschen sich über Fluglärm beschweren und an beweglichen Ferientagen nach Mallorca fliegen.
Vereinzelt setzte er jedoch auch auf die Aktualität kürzlich diskutierter Ereignisse. Mit monotoner Stimme und einer Ernsthaftigkeit, die man ihm abnahm, sprach er über Karl Theodor zu Guttenberg, Christian Wulff und Annette Schavan.
Nicht die drei Politiker seien die Menschen, die er aufgrund ihrer Fehler verabscheue, sondern die Bürger, die eine Hetzjagd auf sie veranstalteten, weil sie mit ihrem Selbstekel lieber auf andere schlössen. Das sei einfacher und könne von eigenen Problemen und Fehlern ablenken.
Oft sprach Rether über die "verrückte Welt", die er einfach nicht verstehe, so sehr er sich damit auch beschäftige. Wie komme es zum Beispiel dazu, dass das dem Autor George Orwell gewidmete Museum mit zahlreichen Überwachungskameras ausgestattet sei?
Durch diesen und andere Vergleiche regte er das Publikum an vielen Stellen zum Nachdenken an. So betitelte er Peer Steinbrück als den deutschen Berlusconi mit Abitur und den Dalai Lama als den Peter Lustig für enttäuschte Christen.
Auch, wenn sich Rether ab und an wiederholte, wirkte er mit seinem Programm neuartig. Er lässt nicht nur Politiker und andere - teilweise selbst ernannte - Eliten schlecht dastehen, sondern betreibt eine Gesellschaftskritik.
Dabei machte er auch vor sich selbst nicht halt. Er hielt dem Publikum den Spiegel vors Gesicht und zeigte damit auf, dass es an jedem Einzelnen liegt, die Dinge richtigzustellen.
Auch wenn Rether sich selbst aufgrund seiner physischen Verfassung nicht am Klavier begleiten konnte, gab es am Ende der Vorstellung lauten Applaus. Das - eher linksliberale - Publikum verzieh ihm sogar bereits viel zu oft gehörte Scherze über Frisuren von Politikern.
Zu guter Letzt nahm ein weiblicher Fan allen Mut zusammen und ging zur Bühne, um Rether ein Kuscheltier und einen Brief zu überreichen. Dass er sich an diesem Abend wirklich in seine Schulzeit zurückversetzt fühlen würde, als Boy Bands langsam Aufsehen erregten, hatte er wohl nicht erwartet.
Naomi Fenner
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