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Alle kriegen Extrapunkte


Science Slam "im Zeichen der Liebe"

16.02.2013 (jnl)
Der Science Slam des Hessischen Landestheaters Marburg war erneut frühzeitig ausverkauft. Die siebte Aufführung der Wissenschafts-Show am Freitag (15. Februar) auf der Bühne am Schwanhof sorgte für großartige Stimmung im Publikum.
Nachdem die Moderatorin, Vize-Intendantin Dr. Christine Tretow, beim letztenmal die Weltuntergangs-Mythen auf die Schüppe genommen hatte, stellte sie diesmal die Show-Conference thematisch unter den Primat der "Liebeskunde". In einem launigen Einführungsvortrag versprach sie, sämtliche Beiträge im Wettbewerb von "Armors Pfeilen" herzuleiten.
Obschon auch diesmal wieder ein großes Spektrum an Wissenschaftlern - von Physik bis Politologie - vertreten war, gelang dies Vorhaben. Denn Liebe ist ja nicht nur Eros, daher "liebt" jeder Wissenschaftler zumindest sein Forschungsgebiet.
Die Auswahl der freiwilligen oder ausgeguckten sieben Juroren aus dem Publikum geriet über der beherzten Resolutheit Tretows zu einem Riesengaudi. Da sämtliche Berufenen zumindest Vornamen und Fachgebiet nennen mussten, sah man die ganze Bandbreite von der Juristin bis zum Handwerker im Publikum abgebildet.
Der Gießener Molekularbiologe und Imker Dr. Jörg Klug machte sich auf eine "Reise ins Innenleben der Honigbiene". In zehn Minuten komprimiert erfuhr man Wesentliches und sogar wirklich Neues über das staatenbildende Insekt.
Sogar zur Aufspürung von mit Metalldetektoren unentdeckbarem Plastiksprengstoff etwa werden neuerdings dressierte Bienen eingesetzt. Besonders überraschend für viele war, dass die aus Kindertrickfilmen bekannte "Biene Maja" von der Grafik her eindeutig eher der Wespe ähnelt als der Biene.
Der Kurzvortrag des Marburger Medizinstudenten Alexander Falb versprach Eingehendes über "Biochemische Phänomene im Stadium der Verliebtheit". Mit seiner souverän vorgetragenen und mit witzigen Bildern unterlegten "Tour de Hormonistan" kam er zu dem Schluss, dass "Verschossensein" und Geisteskrankheit überraschend viel gemein haben.
Ebenfalls viel Sachkenntnis aber weniger Geschick im Körpersprachlichen brachte sein Kommilitone Johannes Hinrich von Borstel auf die Bühne. Sein Beamer-Vortrag zur Ursachenaufspürung und Vorbeugung beim Herzinfarkt vermittelte bekanntes Wissen.
Wirkliches inhaltliches wie szenisches Neuland betrat der Hamburger Politikwissenschaftler Jens Wiesner, der sich theatralischer Mittel bediente. In seiner Medienanalyse wies er die Propaganda von Folter in einer zeitgenössischen amerikanischen Fernsehserie nach.
Nach dieser rund einstündigen Kandidaten-Rallye bekam das Publikum zwanzig Minuten Pause. Da ein wegen Erkrankungspech beim letzten Mal ausgefallener Kandidat diesmal zusätzlich eingebaut wurde, war dieser siebte Slam mit sieben Wettbewerbern zugleich der Umfangreichste der Erfolgsreihe.
Der Münsteraner Psychologie-Doktorand Sebastian Bartoschek befasste sich mit dem für satirische Faktenschau dankbaren Themenfeld der Verschwörungstheorien. Der Mythos der Fans beschwört bekanntlich, dass Elvis Presley lebe.
Über "Instrumentierte Implantate" ging der Beamer-Vortrag des Mediziners Dr. Peter Westerhoff von der Berliner Charité-Universitätsklinik. Der Physiker Dr. Michael Deveaux als Letzter der zweiten Runde klärte humorvoll über "Antimaterie beim Arzt" auf.
Gewonnen hat am Ende mit 70 von 71 möglichen Punkten der Mediziner Peter Westerhoff. Dabei dürften vor allem sein körpersprachlich perfektes Auftreten im Zusammenklang mit humoriger, souveräner Beherrschung seines Themas den Ausschlag gegeben haben.
Die Regel der "Extrapunkte" wird nach diesem Slam aus dem Verkehr gezogen oder stark überarbeitet werden. Das Publikum hatte nicht - wie ursprünglich vorgesehen - einzelnen Unterbewerteten unter den Kandidaten solche zugestanden sondern kurzerhand jedem Wettbewerber.
Großartig war, dass mit der spontan zustandegekommenen Teilnahme von Studierenden als Slamkandidaten das Feld nicht mehr vornehmlich Leuten mit Doktortiteln überlassen wurde. Der Slam lebt von der Offenheit der Themen und Teilnehmer.
Das Rahmenprogramm des Landestheaters, das den besonderen Clou gegenüber anderen Science Slams ausmacht, war liebevoll weiterentwickelt worden. Der Eingangsvortrag der Moderatorin fiel etwas kürzer aus, die Beiträge des Assistenten "Abi" waren kleine improvisierte Parodien.
Gegen 23:30 Uhr verabschiedete das bestens unterhaltene Publikum mit einem Riesenapplaus die Kämpen der Marburger Wissenschafts-Show. Wer wollte, konnte noch im Foyer ein wenig nachfeiern und mit den Kandidaten ins Gespräch kommen.
Jürgen Neitzel
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