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Islam fasziniert


Persönliche Erfahrungen von vier Frauen

07.02.2013 (ltj)
Das Thema "Islam persönlich" stand am Mittwoch (6. Februar) um 18 Uhr in der Veranstaltungsreihe "Religion am Mittwoch" zur Debatte. Vier Sprecherinnen diskutierten darüber, "Was mich persönlich am Islam fasziniert". Das neue Jahresprogramm weckte das Interesse von etwa 80 Personen.
Dr. Doris Decker arbeitete über Islam und Literatur. Während ihrer Studien reiste sie durch den arabischen Kulturraum. Dabei entdeckte sie die Vielfalt des Islam. "Ich habe keine Erfahrungen mit dem Islam gemacht, sondern mit Menschen, die sich als Muslime bezeichnen", erklärte Decker. Der Glaube werde von Mensch zu Mensch unterschiedlich gelebt. Die Art wie die Menschen den Islam lebten, fasziniere sie.
Den ersten Kontakt mit dem Islam habe sie durch die Medien gehabt. Oft sei über militärische Auseinandersetzungen berichtet worden. Die Äußerungen seien verallgemeinernd und negativ gewesen, weshalb ihr erst ein schlechtes Bild vom Islam vermittelt wurde.
In der Schule habe sie dann aber Muslime kennen gelernt, die dieses Bild änderten.
Da ihr Interesse geweckt wurde, reiste sie nach Ägypten, Jordanien und Syrien. In vier Jahren arbeitete sie sich durch fünf große Werke zur islamischen Geschichte. Dabei bemängelte sie, dass die neueren Quellen die Geschichte geglättet darstellten. Die älteren Quellen duldeten jedoch mehrere und widersprüchliche Fassungen derselben Geschichte.
Fazit ihres Studiums war die Feststellung: "Unkenntnis schützt nicht vor Meinung". Heute bezieht sie selten Position, vertritt jedoch nihilistische und arianistische Ansichten.
Die säkular-protestantisch erzogene Leyla Jagiella machte durch Reisen in islamische Länder erste Erfahrungen mit dem Islam. "Wenn ich den Gebetsruf durch die Stadt erschallen höre, geht mein Herz auf", gesteht sie. Im Alter von 14 Jahren sei sie trotz familiärer Einwände zum Islam konvertiert. In der Millî Görüş -Moschee wurde sie dann sozialisiert.
Während ihres Völkerkunde- und Religionswissenschaftstudiums reiste Jagiella nach Indien und Pakistan. Dort forschte sie nach dem "Dritten Geschlecht". In dieser Hinsicht biete der Islam mehr Wege und Freiheiten als andere Religionen. Ihre Transsexualität stelle wegen der Vielfalt des Islams kein Problem dar.
Außerdem fasziniere sie die Schönheit der arabischen Sprache. Ihre Liebe zum Koran entstamme seiner Ästhetik und seinem Inhalt.
Ganz anders an den Islam herangeführt wurde Özlem Ögütcü. Ihre Sozialisierung fand durch ihre Mutter statt, die ihr die alevitischen Ansichten näher brachte. Durch die Schule wurde sie außerdem christlich sozialisiert.
In ihrer Jugend nahm sie am Semah-Tanz teil. Durch die rhythmischen Bewegungen und die Musik, fühlte sie sich vom Raum losgelöst. Später distanzierte sie sich jedoch von diesem Erlebnis.
Im Laufe ihrer Schullaufbahn erfuhr Ögütcü dann von der Aufklärung, weshalb sie sich bald darauf als Atheistin bezeichnete. "Religion ist Opium fürs Volk", zitierte sie den Philosophen Ludwig Feuerbach.
Durch ihr Studium der Völkerkunde, Soziologie und Anthropologie korrigierte sie die Bezeichnung als Atheistin zu Agnostikerin.
Am Islam bekam sie erstmals Interesse als sie von der "Vernunft im Islam" hörte. "Religion ist für mich wie ein Geländer", erläuterte Ögütcü. "Man kann sich daran hochziehen, anlehnen und abstützen." Während ihres Aufenthalts in Sansibar machte sie die Beobachtung, dass ihr die mit arabischer Schrift verzierten Holztüren ästhetisch zusagten.
Die als Muslima aufgewachsene Emel Zeynelabidin stammt aus Istanbul. Mit zehn Jahren las sie gemeinsam mit ihrem Vater den Koran. Dabei spielte der Inhalt vorerst keine Rolle, da ihr nur wichtig war, mit ihrem Vater Zeit zu verbringen. Das Schriftbild faszinierte sie jedoch schon früh.
Später trat sie dem Millî Görüş-Islam bei. In der Pubertät begann sie ein Kopftuch zu tragen. 2003 kam es dann zu der Kopftuch-Debatte. Nach 30 Jahren enthüllte Zeynelabidin sich und trat aus der Gemeinde aus. Es sei ein Glaube aus Gehorsam und Gewohnheit gewesen.
Früher sei das Tragen eines Kopftuchs eine praktische Maßnahme gewesen, die sich zu einer Einschränkung entwickelt habe. Das Ablegen des Kopftuchs sei eine Befreiung für Frauen und auch Männer, da die ihnen zugeschriebenen Rollen beseitigt werden. Zeynelabidin möchte jedoch keineswegs jemanden zwingen kein Kopftuch zu tragen.
Nachdem sie die islamische Geschichte analysierte, gehört sie dem Islam heute aus Überzeugung an. Sie unterteilt den Islam in Regelgläubige, die die Menschenrechte missachten, und humanistische Gläubige.
In allen Fällen waren die Gründe für eine Hinwendung zum Islam weniger inhaltlicher Natur als eher äußerlicher Art. Das Schriftbild im Koran, die Verzierungen an den Türen der Moscheen oder der Klang des Rufs eines Imam waren ebenso ausschlaggebend wie die Nähe zum Vater oder das Befolgen althergebrachter Regeln. Hinzu kam allerdings auch das verzerrte Bild, das in Deutschland über den Islam vermittelt wird.
Laura Theresa Junk
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