31.12.2012 (fjh)
Der Einfluss des Multimilliardärs Prof. Dr. Reinfried Pohl auf die Kommunalpolitik war 2012 in Marburg das wichtigste Thema im Bereich Politik. Seine Millionenspende an die
Universitätsstadt Marburg sowie weitere Spenden an verschiedene Parteien erregten sogar bundesweit Aufsehen.
Andererseits verdankt die Stadt nicht zuletzt der von ihm gegründeten
Deutschen Vermögensberatung (DVAG) ihre gute finanzielle Ausstattung. Dennoch hätte die Benennung des westlichen Lahnufers nördlich der Elisabethbrücke nach seiner verstorbenen Ehefrau Anneliese Pohl nicht unbedingt sein müssen. Genügend andere Größen der Stadt hätten die Widmung einer Straße sicherlich eher verdient.
Zahlreiche Geistesgrößen hat vor allem die
Philipps-Universität seit ihrer Gründung im Jahr 1527 hervorgebracht. Mit dem 200. Geburtstag der "Kinder- und Hausmärchen" der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm sowie dem 300. Geburtstag von Michael Lomonossow wird ihre Wirkung auf die weltweite Kultur nur ansatzweise deutlich.
Als Ausdruck der herausragenden Bedeutung ihrer Universität hat dieStadt einen Antrag zur Aufnahme Marburgs in die Liste des Weltkulturerbes auf den Weg gebracht. Gemeinsam mit Tübingen möchte sich Marburg als typische deutsche Universitätsstadt durch die UNESCO adeln lassen.
"Andere Städte haben eine Universität; Marburg ist eine Universität." Einen ähnlichen Spruch gibt es gleichermaßen über Marburg wie über Tübingen.
Angesichts von mittlerweile 24.800 Studierenden prägt die Universität die Stadt ganz maßgeblich. Die höchste Zahl an Studienanfängern hat mit Beginn des Wintersemesters zu einer massiven Verknappung erschwinglichen Wohnraums im Stadtgebiet geführt. Zudem mussten die
Stadtwerke Marburg (SWM) wegen der steigenden Fahrgastzahlen auch die Busanbindung der Lahnberge verbessern.
Der Vorschlag der Grünen zur Errichtung einer Seilbahn auf die Lahnberge als Verbesserung ihrer Verkehrsanbindung an die Innenstadt ist allerdings höchst umstritten. Oberbürgermeister Egon Vaupel liebäugelt dagegen eher mit einem Schrägaufzug von der Wasserscheide hinauf zum Landgrafenschloss.
Ohnehin knirscht es hörbar zwischen den beiden Parteien der rot-grünen Koalition. Schließlich arbeiten Die Grünen im
Landkreis Marburg-Biedenkopf sehr reibungslos mit dem scheidenden CDU-Landrat Robert Fischbach in einer Jamaika-Plus-Koalition zusammen.
Politik in Marburg findet allerdings nicht vorwiegend im Parlament oder gar im Rathaus statt. Eine - trotz aller Unkenrufe immer noch stark politisierte - Studentenschaft prägt das politische Leben ebenso wie zahlreiche Organisationen, Vereine und Bürgerinitiativen.
Besonders viele Menschen hat im Jahr 2012 der Protest gegen die Auswüchse der Privatisierung des
Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) auf die Straße und zum wöchentlichen "Gesundheitspolitischen Montagsgebet" in die
Elisabethkirche gebracht. Breite Unterstützung erhielt der Klinik-Betriebsrat dabei nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch aus allen Marburger Parteien bis hin zu Mandatsträgern der CDU.
"Gesundheit ist keine Ware", lautet einer der Slogans dieser Proteste. Auch die Stadt Marburg ist keine Ware. Letztlich wird sie sich von niemandem kaufen lassen, selbst wenn er ein hochmögender Multimilliardär wäre.
Franz-Josef Hanke
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