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Echt hessisch


Grimms Märchen geben Auskunft zu Land und Leben

08.12.2012 (fjh)
Anhand von Grimms Märchen dokumentiert die Ausstellung "Echt hessisch? Land Leben Märchen“ das Alltagsleben im 19. Jahrhundert. Die von Studierenden der Europäischen Ethnologie an der Philipps-Universität zusammengestellte Präsentation wurde am Freitag (7. Dezember) im Landgrafenschloss eröffnet.
Die Sammler und Erzähler Jakob und Wilhelm Grimm betonten den hessischen Ursprung der Märchen und deren Herkunft aus dem einfachen Volk. "Unsere Studierenden der Europäischen Ethnologie und der Kulturwissenschaft haben sich in den 14 Monaten Projektarbeit mit der Thematik auseinandergesetzt, dass die Grimmschen Märchen weder stockhessisch noch urdeutsch, sondern europäisch sind“, erklärte die Ausstellungskuratorin Christina Schlag, die zusammen mit Prof. Dr. Harm-Peer Zimmermann vom Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich das Lehrforschungsprojekt betreut hat, das der Ausstellung zugrunde liegt.
"Wie nebenbei geben die Märchen Auskunft über das Leben und den Alltag im 19. Jahrhundert sowie die damaligen Wert- und Moralvorstellungen“, fügte Zimmermann hinzu. "Die Ausstellung ist daher eine Entdeckungsreise durch die Welt der Märchen und durch die Lebenswirklichkeit der hessischen Landbevölkerung im 19. Jahrhundert“, sagte Museumsdirektor Dr. Christoph Otterbeck vom Museum für Kunst und Kulturgeschichte.
Wo schlief Dornröschen? Otto Ubbelohde verortete einst in seiner bekannten Zeichnung das Schloss der schlafenden Schönheit in Mittelhessen, indem er sich Weilburg als Vorbild nahm.
"Viel entscheidender als Fragen nach geographischen Ursprüngen sind jedoch Kernfragen nach dem Alltag der Menschen in früheren Zeiten“, erläuterte Schlag. Wie lebten die Reichen? Wie ging es in einem armen Haushalt zu? Wie beging man damals die Übergänge im Leben eines Menschen?
Auf diese Fragen suchten die Studierenden im reichen Fundus der Volkskunde-Bestände des Museums für Kunst und Kulturgeschichte sowie mittels ergänzender Leihgaben Antworten. "Anhand der berühmten Zwergen-Frage Wer hat von meinem Tellerchen gegessen? aus Schneewittchen lässt sich beispielsweise ein Wandel in der Tischkultur hin zum eigenen Teller und weg vom gemeinschaftlichen Topf in der Mitte des Tisches schließen“, folgerte Zimmermann.
"Außerdem erlauben die Märchen Einblick in historische Moral- und Wertvorstellungen, “ führte Schlag aus. Beispielsweise erscheine der Wolf in "Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“ oder "Rotkäppchen“ als bösartiger Handlungsträger.
Die ihm zugewiesenen Charaktereigenschaften wie Habgier, Hinterhältigkeit und Streitlust wurden dem Wolf jedoch immer zum Verhängnis. Am Ende der Märchen bezahlte er dafür mit dem Tod.
Insgesamt 156 Märchen umfassen die beiden Bände der Erstausgabe der "Kinder- und Hausmärchen“ von 1812 und 1815. Viele von ihnen ließen sich die Brüder Grimm von jungen, gebildeten Damen am Teetisch erzählen. Manches entnahmen sie aber auch alten Schriften, die sie in Archiven und Bibliotheken in ganz Deutschland fanden.
In den späteren Ausgaben wurden Texte durch andere ersetzt. Außerdem kamen weitere Märchen hinzu. Die Ausgabe letzter Hand enthielt 211 Erzählungen.
Nicht alle der gesammelten Texte gelangten auch zur Veröffentlichung. Die Brüder Grimm hofften, germanische Ursprünge in der mündlichen Überlieferung ausmachen zu können.
Dabei berücksichtigten sie allerdings nicht die europaweite Verbreitung vieler Märchen. Die Schreibstube als "Ort des Geschehens“ war eine entscheidende Station des Weges von der Erzählung bis zum heute bekannten Märchen.
Eine Entdeckungsreise für die Sinne in fünf Bereichen solle die Ausstellung werden. Daher zähle sie zu den "7 Streichen“ des Grimm-Themenjahrs der Stadt, erklärte Karin Stichnothe-Botschafter vom Fachdienst Kultur der Universitätsstadt Marburg. "Daher haben wir die Ausstellung, die sich zudem am Höhepunkt des Grimm-Dich-Pfads befindet, gerne mit 8.000 Euro gefördert“, fügte Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach hinzu.
Als "ganz toll“ empfindet Paulina Rinne, die zusammen mit rund zwei Dutzend Mitstudierenden an der Ausstellung gearbeitet hat, die Tatsache, dass die im Seminar gesponnenen Ideen nicht nur auf dem Papier blieben, sondern tatsächlich Gestalt annehmen konnten. Das habe einen ungeheuren Motivationsschub gegeben, fügte ihre Kommilitonin Eftelya Erbasli hinzu.
Die Ausstellung wird bis zum 31. Dezember 2014 zu den üblichen Öffnungszeiten dienstags bis sonntags von 10 bis 16 Uhr zu sehen sein. Im Sommer verlängert sich der Schluss auf 18 Uhr. Die zusätzlichen zwei Besuchsstunden bietet das Museum vom 1. April bis zum 31. Oktober an.
pm: Philipps-Universität Marburg
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