05.12.2012 (fjh)
"Die Beweisaufnahme ist geschlossen", erklärte Richterin Isabel Rojahn am Mittwoch (5. Dezember) beim 11. Verhandlungstag gegen Tronje Döhmer. Dem Gießener Rechtsanwalt wirft die Staatsanwaltschaft Marburg die Begünstigung eines ehemaligen Mandanten vor.
Beim 10. Verhandlungstag hatte das Gericht Döhmer eine Frist für weitere Beweisanträge bis zum 11. Verhandlungstermin gesetzt. Anderenfalls müsse es sein Verhalten als Verschleppungsstrategie betrachten.
Zum offenkundigen Erstaunen der anderen Verfahrensbeteiligten verzichtete Döhmer zu Beginn des Verhandlungstags jedoch zunächst auf weitere Anträge. So musste das Gericht die Sitzung gleich nach Beginn für 25 Minuten unterbrechen, damit Staatsanwätlin Kathrin Orthmüller ihr Plädoyer vorbereiten konnte.
Darin fasste sie ihre Vorwürfe gegen den beschuldigten Bürgerrechtler noch einmal zusammen: Döhmers einstiger Mandant habe seine Kunden vorsätzlich getäuscht, erklärte die Staatsanwältin. Das habe sein Anwalt gerade auch aufgrund seiner 30-jährigen Berufserfahrung wissen müssen.
Der Mandant hatte ihm aus der Haft einen Brief über die nicht kontrollierte Anwaltspost zugesandt. Diesen Brief habe Döhmer dann weitergeleitet und seinem Mandanten damit die Sicherung von Geld aus betrügerischen Geschäften ermöglicht.
Dass der Mandant seine Kunden betrogen habe, beweise nicht nur das gegen ihn ergangene Urteil, sondern auch die Ausgestaltung seiner in Großbritannien beheimateten Firma. Für seine Kunden habe er keine angemessenen Gegenleistungen erbracht, da man die von ihm gegen Geld übermittelten Links auch leicht hätte googeln können.
Ob Döhmers Verhalten seinem Mandanten letztlich wirklich Geld gesichert hätte, sei unerheblich.Jedenfalls habe Döhmers Verhalten ihm die Sicherung von Gewinnen zumindest möglich gemacht.
Deswegen forderte Ortmüller 90 Tagessätze zu jeweils 30 Euro als Strafe. Angesichts der langen Dauer des Verfahrens sollte die Hälfte davon als abgegolten betrachtet werden.
Daraufhin erwiderte Döhmer, dass das Gericht sich nicht die nötige Mühe gegeben habe, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. So sei an keinem Verhandlungstag gefragt worden, wer das Schreiben des Mandanten in Empfang genommmen und weitergeleitet hat.
Das gesamte Verfahren sei ein Racheakt des Marburger Staatsanwalts Philipp Smyj-Köbel gegen ihn. Diese Reaktion habe der Staatsanwalt nach einer Niederlage gegen Döhmer in einem anderen Verfahren sogar angekündigt.
Drei Marburger Staatsanwälten warf Döhmer eine problematische Nähe zu rechtsextremen Gesinnungen und Personen vor. Zur Begründung verwies er auf einen konstruierten Meineid-Vorwurf Smyj-Köbels gegen einen Antifaschisten aus Amöneburg sowie Aussagen des Marburger Staatsanwalts bei einer Gerichtsverhandlung in Frankfurt, wo er eine Nähe zu Neonazis nicht bestritten habe.
Bei einem Verfahren gegen den Neonazi Manfred Röder hatte Döhmer freundschaftliche Kontakte zwischen dem Marburger Staatsanwalt und einem Zeugen aus der Nazi-Szene beobachtet. Das habe ihm damals sehr zu denken gegeben.
Geschützt und gefördert worden seien Smyj-Köbel und sein Kollege Rainer Franosch vom früheren Leitenden Oberstaatsanwalt Dr. Arnd-Peter Köppen. Nachdem Köppen in Thüringen die Ermittlungen gegen Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds eingestellt hatte, habe er zunächst als Staatssekretär in Thüringen, dann als CDU-Kreisgeschäftsführer in Frankfurt und schließlich als Leiter der Staatsanwaltschaft in Marburg gearbeitet.
Auch der Umgang der Staatsanwaltschaft Marburg mit Akten erinnert an die Erfahrung mit dem NSU. Akten im Verfahren gegen Döhmers früheren Mandanten seien in der Staatsanwaltschaft "spurlos verschwunden". Das Gericht habe sich nicht bemüht, die Wege dieser Akten nachzuvollziehen. Im Verfahren gegen den einstigen Mandanten seien sie der Verteidigung wie auch dem Gericht vorenthalten worden.
Döhmers Replique auf Ortmüllers Plädoyer mündete in mehrere Beweisanträge, die die Einvernahme weiterer Zeugen verlangten. Da das Gericht die Aufklärung des Sachverhalts durch die Vernehmung von Zeugen systematisch behindert habe, sei nicht er schuld an der Verschleppung des Verfahrens. Vielmehr sei er dadurch zu seinen Beweisanträgen gezwungen worden.
Die stundenlange Inaugenscheinnahme einer CD habe das Verfahren zusätzlich unnötig in die Länge gezogen. Denn angeschaut habe die Richterin gemeinsam mit der Staatsanwältin nicht diejenige CD, deren Inaugenscheinnahme das Gericht beschlossen hatte, sondern den Inhalt eines anderen Datenträgers.
Der nächste Verhandlungstag am Mittwoch (2. Januar) verspricht, spannend zu werden. Wenn das Gericht die beantragte Vernehmung der Zeugen erneut ablehnt, könnte das Verfahren schon bald enden.
Anderenfalls könnte es sich noch monatelang hinziehen. Angesichts der Reaktion von Rojahn und Ortmüller deutet alles aber eher auf einen kurzen Prozess hin, den die Marburger Justiz mit dem engagierten Antifaschisten und Bürgerrechtler machen möchte.
Franz-Josef Hanke
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