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Schabbat nicht stören


Garten des Gedenkens wird eingeweiht

09.11.2012 (fjh)
Der "Garten des Gedenkens" wird am Sonntag (11. November) seiner Bestimmung übergeben. Er befindet sich auf dem Grundstück der Jüdischen Gemeinde Marburg, auf dem sich bis zum 9. November 1938 die stattliche Synagoge befand. Begleitet wurde die zweijährige Bauzeit von sorgfältigen archäologischen Untersuchungen.
Die Jüdische Gemeinde Marburg erwarb 1892 das Grundstück an der Universitätsstraße neben dem Landgrafenhaus. Nach Plänen des Architekten Wilhelm Spahr wurde dort in der Zeit von 1895 bis 1897 die Synagoge errichtet.
In der Reichspogromnacht vom 9. November. 1938 wurde sie durch Brandstiftung zerstört. Das Gebäude wurde
abgetragen. Der Platz wurde als einfache Grünfläche hergerichtet.
1963 erfolgte erstmalig eine öffentliche Diskussion über die Geschichte des Ortes, woraufhin ein Gedenkstein aufgestellt wurde. Bei im September 2008 durchgeführten archäologischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass sich noch bauliche Überreste der historischen Synagoge im Untergrund befinden. Die Universitätsstadt Marburg und die Jüdische Gemeinde Marburg haben sich darauf verständigt, dort einen neuen Gedenkort zu gestalten.
Dann wurde ein freiraumplanerischer und künstlerischer Realisierungswettbewerb ausgelobtund im Jahr 2009 entschieden. Die Planung "Garten des Gedenkens" des 1. Preisträgers - der Firma "die scape Landschaftsarchitekten" aus Düsseldorf sowie die Künstler Oliver Gather und Christian Ahlborn – wurde danach baulich umgesetzt.
Die Umgestaltung begann im Februar 2011 mit weiteren Ausgrabungen. Sie wurden archäologisch begleitet, um die genaue Lage der - als Parallelogramm ausgebildeten und im Inneren den ehemaligen Gebetsraum nachzeichnenden - weißen Skulptur festlegen zu können. Daneben fanden die Rodung, der Bodenabtrag und die Sicherung der zu erhaltenden Linden statt.
Mit dem Bau der Stützmauer zur Hangabsicherung vor der mittelalterlichen Stadtmauer begannen die eigentlichen Baumaßnahmen. Dabei war eine Beweissicherung für die Standsicherheit der Stadtmauer und der auf ihr liegenden Bebauung notwendig.
Im Ergebnis entstand im November 2011 eine Betonwand, die statisch durch Vernagelungen mit dem Hang für Halt sorgt und als Unterkonstruktion für die spätere Stützwand aus dunkel lackiertem Metall dient. Ein erster räumlicher Eindruck wurde nun möglich. Zeitgleich fanden die Restaurierungen in der Mikwe, die Freigrabung der weiteren Synagogenreste und deren öffentliche Präsentation statt.
Im März 2012 starteten die Arbeiten mit der Freilegung weiterer baulicher Reste. Auch hier war die archäologische Baubegleitung durch das Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation (IBD) wichtiger Bestandteil der Baumaßnahme. Das IBD dokumentierte sämtliche Funde im Rahmen der archäologischen Baubegleitung.
Ende Mai folgte die Installation des Lichtbands am Fuß der Stadtmauer. Ab Juni begann mit der Herrichtung der Fundamente der eigentliche Bau der Skulptur.
Die Grenzmauer zum Hof des Landgrafenhauses wurde abgerissen. Auf den Terrassen hinter dem Landgrafenhaus wurden die Vorbereitungen für den Weg in die Oberstadt getroffen.
Die Sanierung einiger Mauerteile erwies sich dabei als notwendig. Die ersten Teile der weißen Skulptur "schwebten“ mittels Kran im August ein. Anfang September war sie dann komplett gesetzt.
Parallel dazu ging es mit der Neupflasterung des verbreiterten Fußwegs an der Universitätsstraße mit dunklem Basalt und mit dem barrierefreien Zugang weiter. Der Innenraum der Skulptur wurde mit dem Einbau von Zettelkästen im Rollrasen fertiggestellt. Der alte Gedenkstein aus dem Jahr 1963 fand dort seinen neuen Platz.
Die Skulptur wurde im Oktober mit Graffitischutz versehen. Das Mikwe- Fenster, das sich in einer Achse mit der Thora-Nische als dem heiligsten Ort der ehemaligen Synagoge befindet, wurde ebenfalls eingebaut. Mit einer neuen dunklen Mauer fand der Hof des Landgrafenhauses seinen Abschluss.
EndeOktober wurde der Weg von der Universitätsstraße über die Gedenkstätte in die Oberstadt mit dem Einbau einer Stahltreppe fertiggestellt. Die Buswartehalle und ein Tastmodell der ehemaligen Synagoge vervollständigten das Ensemble an der Universitätsstraße.
Als Abschluss der Neugestaltung zum "Garten des Gedenkens" wurde die Bepflanzung vorgenommen. Um die Skulptur entstand das rotblühende "Rosenfeld" mit vereinzelten Zierkirsch-Bäumen und auf den Terrassen die Staudenpflanzungen mit zwei Birken.
Am Rand der Gedenkstätte befindet sich ein Bronzemodell der ehemaligen
Synagoge, so dass sich auch blinde und sehbehinderte Besucher einen Eindruck von der Architektur dieses einzigartigen historischen Gebäudes mit Kuppel verschaffen können. Ein Teil der Kosten wurde mit
Spenden finanziert.
Insgesamt belaufen sich die Kosten zur Neugestaltung des "Gartens des Gedenkens" auf rund 1,1 Millionen Euro. Davon entfallen zirka 750.000 Euro auf die reinen Baukosten und 350.000 Euro auf Nebenkosten wie die archäologische Begleitung oder Kunstgegenstände.
Da der 9. November in diesem Jahr auf einen Schabbat fällt, an dem nach jüdischer Tradition keine Gedenkveranstaltungen stattfinden dürfen, und um möglichst vielen Interessierten die Teilnahme zu ermöglichen, findet die feierliche Einweihung des "Gartens des Gedenkens" und die Gedenkstunde zum 74. Jahrestag der Reichspogromnacht am Sonntag (11.
November) um 16 Uhr statt. Neben verschiedenen Redebeiträgen, Grußworten und gesanglicher Untermalung wird es auch einen Rundgang über den neuen Ort des Gedenkens und anschließend einen Empfang in der Jüdischen Gemeinde an der Liebigstraße geben. Dazu sind alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen.
Die Gedenkstätte macht sich nunmehr mit ihrer auffälligen Form und ihren Informationen zur Geschichte des Ortes bemerkbar. Gleichzeitig ist ein attraktiver, neu gestalteter Stadtraum entstanden, an dem man gerne verweilt.
Mehr über die ehemalige Synagoge und dem Werdegang zum "Garten des Gedenkens" mit der künstlerischen Idee "Zettelkasten“ erfahren Interessierte auf der
Internetseite www.garten-des-gedenkens.de.
pm: Stadt Marburg
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