29.10.2012 (fjh)
Geradezu berührend war das Konzert des Georgischen Kammerorchesters Ingolstadt am Sonntag (28. Oktober) in der
Stadthalle. Einmal mehr ist dem
Marburger Konzertverein damit ein herausragendes Angebot grandiosen Musik-Genusses geglückt.
Dabei stand der Abend zunächst unter einem eher unglücklichen Stern. Wegen einer fiebrigen Grippe hatte die Solistin Tianwa Yang sehr kurzfristig absagen müssen. Mit großem Bedauern verkündete Konzertvereins-Vorsitzender Dr. Friedemann Nassauer zu Beginn der Veranstaltung diese Nachricht, entgehe dem Publikum damit doch der "Auftritt eines steil aufsteigenden Sterns am Konzerthimmel".
Den Auftakt des Konzerts machtedie Ouvertüre zu "Finta giardinera" von Wolfgang Amadeus Mozart. Eindringlich und ausdrucksstark zisellierte das Orchester die lauten und leisen, schnellen und langsamen Stellen der Partitur feinfühlig heraus.
Die durch die Absage der Violinistin entstandene Lücke wollte das Orchester durch eine Umstellung des Programms füllen. Nachdem auch er sein Bedauern über die plötzliche Erkrankung der geschätzten Geigerin ausgedrückt hatte, stellte Dirigent Lavard Skou Larsen die beiden Ersatzstücke vor ihrer Aufführung jeweils mit einer kurzen Erklärung vor.
Geradezu schelmisch kündigte er eine Symphonie von Johann Christoph Friedrich Bach an. Der dritte Sohn des Leipziger Thomas-Kantors Johann Sebastian Bach habe sein Leben eher im Stillen am Bückeburger Hof geführt. So sei er dem großen Erwartungsdruck entgangen, den seine komponierenden Brüder aushalten mussten.
Dennoch habe er insgesamt 28 Symphonien hinterlassen. Erhalten seien davon allerdings nur zwölf. Den Rest habe bei Kriegsende die Rote Armee konfisziert, sodass Musikfreunde in Moskauer Archiven möglicherweise noch fündig werden könnten.
Dass die Symphonie des eher vergessenen Bach-Sohns durchaus mit vielen berühmten Kompositionen mithalten kann, zeigte das Orchester anschließend sehr eindrucksvoll. Ein wenig erinnerten der erste und der dritte Satz des Werks an den Kompositionsstil Antonio Vivaldis. Ansonsten aber brauchte sich das Stück absolut nicht zu verstecken.
Geradezu grandios war dann die 2002 entstandene Komposition "Plainscapes" vor der Pause. Dem lettischen Komponisten Peteris Vasks ist damit ein eindringliches und berührendes Meisterwerk geglückt.
Magisch zog das Georgische Kammerorchester das Publikum damit in seinen Bann. Selbst die Fledermaus, die zuvor noch dicht über den Köpfen der Zuschauer gekreist hatte, blieb fortan still.
Erklangen zu Beginn und am Schluss eher moderne Modulationen, so wechselten zwischendurch überwiegend leise Streicherpassagen mit gelegentlich lauteren Klängen so melodiös ab, dass das Publikum teilweise zu Tränen gerührt war.
An diese Meisterleistung konnte das Orchester nach der Pause mit Franz Schuberts Sinfonie 5B in D-Dur leider nicht mehr ganz anknüpfen. Dennoch wird der Abend sicherlich unvergessen bleiben.
Den Namen des Schülers von Arvo Perth wird man sich merken müssen. Vasks' Werk hat das Publikum in der fast vollbesetzten Stadthalle gleichermaßen berührt und überzeugt.
Franz-Josef Hanke
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