14.09.2012 (jnl)
Naturwissenschaft lebt vom Experiment. Das dachten sich die Planer des
Marburger Krimifestivals bei der Autorenlesung am Donnerstag (13. September) im Botanischen Garten auf den Lahnbergen.
Bernhard Kegel las aus seinem neuen Wissenschafts-Kriminalroman "Ein tiefer Fall". Dazu gab es leider im Hintergrund ein lautstarkes Frosch-Konzert von ein paar Dutzend kubanischen Pfeif-Fröschen, die im Tropen-Gewächshaus zuhause sind.
Der Berliner Autor musste seine sonore Stimmkraft plus Mikrofonanlage einsetzen, um dieses nicht vorhergesehene Konzert der nachtaktiven kleinen Tiere zu übertönen. Die rund vierzig Besucher der Lesung saßen auf Stühlen im Gang um ein Baumareal. In dessen Mitte war das Lesepult aufgebaut.
Der Kieler Zoologie-Professor Hermann Pauli gerät in der Geschichte kurz vorm 60sten Geburtstag in turbulente Kripo-Ermittlungen. Zwei Molekularbiologen aus dem Forschungsteam seines Kollegen wurden tot auf dem Campus aufgefunden.
Er war als Erster am Tatort. Schaudernd muss er miterleben, dass die smart aparte Welt der Wissenschaft sich als doppelbödig und voller Kulissen herausstellt.
Der zunehmende Erfolgsdruck verführt immer mehr Karrieristen, mit Fälschung und unsauberen Methoden zu arbeiten, um aufzusteigen. In der Auseinandersetzung mit diesem Terrain mittels erzählerischer Mittel liegt das Kernthema des Buches.
Die vier gelesenen kurzen Kapitel stellten den polizeilichen Ermittlungsfall, die handelnden Personen der rahmenden Geschichte und den Kernkonflikt des Buches vor. Ohne dem Krimi-Leser die Spannung zu nehmen, zeigte sich der 58-jährige Autor in den geschickt gewählten Passagen als ein versierter Stilist und Charakterzeichner.
Leider ließen die ungünstigen akustischen und visuellen Begleitumstände des gewählten Veranstaltungsortes nicht zu, dass ein Gespräch zwischen Autor und Publikum stattfand. Das ist schlimm, denn in der kommunikativen Begegnung und Prüfung der Glaubwürdigkeit eines Schriftsteller liegt ein Hauptmotiv, zu Autorenlesungen zu gehen.
Mehr Glück hatten in diesem Fall die rund zwanzig Oberstufenschüler, die am folgenden Tag in den Räumen der „Grünen Schule“ des Botanischen Gartens mit dem Schriftsteller ein paar Stunden Workshop „kreatives Schreiben im Wissenschaftskontext“ genießen durften. Ihnen pfiffen keine Frösche dazwischen.
Jürgen Neitzel
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