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Recht oder Rache


Strafprozess gegen Bürgerrechtler in Marburg

21.08.2012 (fjh)
Gleich zu Beginn kam der Eindruck auf, die Richterin Isabel Rojahn wolle dem Angeklagten kein faires Verfahren gewähren. Als er nach einer Kopie des Geschäftsverteilungsplans des Amtsgerichts Marburg fragte, verwies sie ihn patzig auf die Pforte. Dort könne er erfragen, wo er diesen kopieren kann.
Wegen Begünstigung verhandelte das Marburger Gericht am Montag (20. August) gegen den Gießener Rechtsanwalt Tronje Döhmer. Die Staatsanwaltschaft Marburg beschuldigt den 2. Vorsitzenden der Humanistischen Union Marburg (HU) der "Begünstigung". Laut Anklageschrift soll er einem Mandanten geholfen haben, Gewinne aus betrügerischen Geschäften beiseite zu schaffen.
Döhmer wiederum beschuldigt den Marburger Staatsanwalt Philipp Smyj-Köbel, sich mit dieser Anklage an ihm rächen zu wollen für eine schmähliche Niederlage in einem anderen Verfahren. Dort hatte das Gericht den Staatsanwalt wegen seiner aggressiven Ausfälle aus dem Verfahren abziehen lassen.
Mit der Durchsuchung seiner Marburger Wohnung und seiner Gießener Kanzlei habe der Staatsanwalt vor allem das Ziel verfolgt, den Rechtsanwalt zu schikanieren. Besonders deutlich werde das, weil auch die Wohnung von Döhmers Freundin durchsucht wurde, die er zu diesem Zeitpunkt noch nie betreten habe.
Zunächst zweifelte Döhmer die Zuständigkeit des Gerichts an. Die Kammer sei nicht der "gesetzliche Richter", erklärte er.
Das Verfahren war 2007 eröffnet worden. Der damals zuständige Richter hatte es dann ans Landgericht Marburg verwiesen, weil er ein Berufsverbot für möglich hielt.
Das Landgericht verwies das Verfahren jedoch zurück und regte eine Einstellung an. Dieser Anregung ist das Amtsgericht jedoch nicht gefolgt.
Angesichts dieser Umstände hätte nach Döhmers Auffassung nun wieder derjenige Richter gegen ihn verhandeln müssen, der zum Zeitpunkt der Anklageerhebung im Jahr 2007 zuständig war. Zur Begründung nannte er ein Urteil des Bayerischen Oberlandesgerichts sowie eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Ohne diese Quellen auch nur zu prüfen, setzte die Richterin die Verhandlung einfach fort.
In einer ausführlichen Prozesserklärung verlass Döhmers Anwalt dann die Vorwürfe gegen den Staatsanwalt Smyj-Köbel. Danach begann das Gericht mit der Vernehmung des einstigen Mandanten, den Döhmer begünstigt haben soll.
Über mehr als drei Stunden zog sich diese Zeugenvernehmung hin. Immer wieder erklärte der Befragte, das könne "möglicherweise" so oder ähnlich gewesen sein, das müsse wohl so gewesen sein oder er könne sich "daran nicht erinnern".
2007 war er inhaftiert worden, weil er gegen ein Berufsverbot verstoßen und eine Kreditvermittlung im Internet betrieben haben sollte. Sein Geschäftsmodell war dabei frappierend einfach.
Über Zeitungsanzeigen warb er für "Kredite ohne Schufa" oder "Kreditkarten ohne Schufa". Wer dann mit ihm Kontakt aufnahm, dem verlangte er je nach dessen Kreditbedarf zwischen 50 bis 250 Euro ab. War das Geld eingegangen, übersandte er seinen Kunden Links zu Seiten von Kreditvermittlern und Banken.
Diese Links hätte jeder auch selber googeln können, gab der Zeuge zu. Allerdings habe er die Anbieter auf ihre Seriosität hin geprüft, bevor er sie in sein "Angebot" aufnahm.
In der Untersuchungshaft sei ihm Döhmer als Anwalt empfohlen worden. Im Oktober 2007 habe der Rechtsanwalt ihn dann in der Justizvollzugsanstalt (JVA) aufgesucht.
Das Mandat übernahm Döhmer als Pflichtverteidiger. In seinem Schreiben an das Gericht zur Bestellung Döhmers gab der Mandant an, er sei mittellos. Diese Angabe wurde vom Gericht nie in Zweifel gezogen.
Nach dem Gespräch mit Döhmer hatte der Inhaftierte seinem Anwalt einen handschriftlichen Brief an seinen Cousin geschickt. Darin bat er den Verwandten, seine Konten zu leeren und alle Verträge zu kündigen. Der Grund für dieses Vorgehen sei seine Sorge gewesen, während der Untersuchungshaft könnten höhere Kosten auflaufen, die er hinterher nicht mehr begleichen könnte.
Der Cousin indes wollte keinen Fehler machen und fragte die Staatsanwaltschaft, ob er die Bitte seines Vetters erfüllen dürfe. Diesen Vorschlag hatte Döhmer ihm in einem Begleitschreiben selbst unterbreitet.
Dennoch beschuldigte die Staatsanwaltschaft den Rechtsanwalt nun der Begünstigung. Döhmer wurde als Verteidiger vom Verfahren ausgeschlossen. Stattdessen erhielt der "Kreditvermittler" nunmehr einen Pflichtverteidiger, der in einem früheren Prozess schon einmal gegen ihn agiert hatte.
Mit dem Gericht schloss er dann einen Deal. Die Staatsanwaltschaft versprach ihm, auf ein geringes Strafmaß zu plädieren und seine frühzeitige Haftentlassung zu befürworten.
Pikant wurde es, als Döhmer ein Schreiben seines ehemaligen Mandanten an den Marburger Staatsanwalt Rainer franosch zur Sprache brachte. Darin bat der "Kreditvermittler" den Staatsanwalt, die Absprache zu bestätigen.
Als Punkte dieser Absprache nannte das Schreiben die Höhe des Strafmaßes und die Bereitschaft, ihm das eingezogene Geld zu überlassen. Im Gegenzug werde er gegen Döhmer aussagen.
Franoschs Antwortschreiben bekräftigte indes nur, die Staatsanwaltschaft werde die getroffenen Absprachen einhalten. Welche Absprachen das waren, erwähnte dieses Schreiben nicht.
Genau in diesem Punkt schieden sich bei der Verhandlung die Geister. Während die Staatsanwältin am Montagmittag meinte, es sei damit allein die Begrenzung des Strafmaßes gemeint, betrachtete Döhmer Franoschs Brief als Bestätigung der Angaben des "Kreditvermittlers", da er sonst dessen Forderungen hätte widersprechen müssen.
Im Anschluss legte Döhmer mehrere Beweisanträge vor, die Staatsanwaltschaft und Gericht nunmehr prüfen wollen. Deswegen wurde die Verhandlung auf Montag (27. August) vertagt.
Franz-Josef Hanke
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