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Der Anfang vom Ende


Mittelhessische Universitäten rücken zusammen

15.07.2012 (fjh)
Eine Forschungskooperation haben die Philipps-Universität Marburg (UMR) und die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) am Donnerstag (12. Juli) angekündigt. Scheint ein gemeinsames Werben um Drittmittel durchaus sinnvoll zu sein, so drängt sich dem besorgten Beobachter doch die beklemmende Vorahnung auf, aus dieser Kooperation zweier Hochschulen könnte später einmal eine Fusion werden.
Mit einer solchen Fusion haben die Menschen in Mittelhessen überaus schlechte Erfahrungen machen müssen. 2005 wurden die Universitätskliniken in Marburg und Gießen zusammengelegt. Ein Jahr später hat das Land Hessen sie privatisiert und an die Rhön-Klinikum AG verscherbelt.
Seither ist es mit dem Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) immer nur weiter bergab gegangen. Hunderte von Arbeitsplätzen wurden vernichtet, der Arbeitsdruck immer stärker verdichtet.
Ende April versuchte dann der Krankenhaus-Konzern Fresenius, die Rhön-AG zu übernehmen. Scheiterten diese Pläne zwar an einer strategischen Intervention des Konkurrenten Asklepios, so ist nun ein weiterer Klinik-Konzern namens Sana auf der Bildfläche erschienen.
Zu Recht bangen die Beschäftigten um ihre Arbeitsplätze. Zudem wollen sie sich nicht wie Vieh von einem zum anderen Eigentümer verkaufen lassen. Schon ihre Ausgliederung aus dem Staatsdienst beim Land Hessen hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für verfassungswidrig erklärt.
Menschen sind keine Ware. Auch Gesundheit darf keine Ware werden!
Den Patienten droht durch die Situation am Klinikum eine "Sekundenpflege". Das Personal hastet voller guten Willens von einem Kranken zum anderen, um wenigstens die wichtigsten pflegerischen Handgriffe zu erledigen.
Begründet wurde die Privatisierung mit der Behauptung, Private könnten "alles besser". Zudem sollte die Fusion der Krankenhäuser sogenannte "Synergieeffekte" erzielen.
Genau diese "Synergieeffekte" bemühen die Befürworter der Hochschulkooperation nun auch für ihr neues Projekt. Damit das Kind auch ordentlich gedeihen kann, haben die JLU und die UMR gleich ein Gremium geschaffen, das die Zusammenarbeit künftig steuern soll.
Scheibchenweise könnten künftig die beiden traditionsreichsten Universitäten Hessens miteinander verschmelzen. Zumindest kann ein kritischer Beobachter das angesichts der Vorgänge um die beiden Universitätskliniken durchaus für möglich halten.
Angesichts der vollmundigen Bewerbung der Universitätsstadt Marburg auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes ist das ein absolut kontraproduktives Signal. Schließlich stellt sich Marburg dort als eine Stadt vor, die durch die Universität schon seit fast 500 Jahren stark geprägt wurde und wird.
Die Zusammenballung zu immer größeren Einheiten ist ein Krebsgeschwür des neoliberalen Zeitgeists. Die davon erhoffte "Effizienz" geht meist auf Kosten der Menschen, die in solchen Einheiten leben und arbeiten oder sie als Studenten, Forscher, Patienten und Kunden nutzen.
"Small is beautyful" schrieb schon vor fast 40 Jahren der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Ernst Friedrich Schumacher. Sein Modell kleiner überschaubarer Einheiten ist wahrscheinlich die zukunftweisende Alternative zu einem zusammenbrechenden Monopolkapitalismus und einer auseinanderfliegenden Demokratie.
Deshalb sollten sich die beiden mittelhessischen Universitäten sehr genau überlegen, wie weit sie ihre neue Liaison ausgestalten. Kooperation ist gut, aber Fusion wäre gleichbedeutend mit Selbstaufgabe.
Für die mittelhessischen Universitäten gilt genau das Gleiche wie beim Fiskalpakt und der damit einhergehenden Verlagerung von Entscheidungsrechten an die Europäische Union (EU). Je größer die Einheit, desto weniger ist sie demokratisch kontrollierbar!
Franz-Josef Hanke
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