Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Durchwachsene Mischung


Dozenten der Sommerakademie stellen beim Kunstverein aus

14.07.2012 (jnl)
Auf großes Publikumsinteresse stieß die Eröffnung der Ausstellung zum 35. Jubiläum der Marburger Sommerakademie n der Kunsthalle des Marburger Kunstvereins. Rund 200 Menschen waren am Freitag (13. Juli) erschienen, um die Werke der dort unterrichtenden Künstler vorgestellt zu bekommen.
Bürgermeister Dr. Franz Kahle hielt eine humorvolle Rede über die wechselvolle Geschichte der Marburger Sommerakademie. Nicht jeder weiß, dass sie tatsächlich die älteste ihrer Art in Deutschland ist.
Die verstorbene Kulturpolitikerin und Künstlerin Louisa Biland hatte 1976 die Idee aus Salzburg mitgebracht, wo sie selber Teilnehmerin einer Sommerakademie war. Bereits im Folgejahr startete die Marburger Künstlerschmiede durch.
Entscheidender Geburtshelfer war der damalige Bürgermeister Dr. Gerhard Pätzoldt, der heute ehrenamtlicher Vorsitzender des Kunstvereins ist. Auch er ließ es sich nicht nehmen, ein paar persönliche Erinnerungen an die Mühen des Anfangs vorzutragen. Damals fing es mit fünf Dozenten und 60 zahlenden Projekt-Teilnehmern an. Sie verteilten sich auf mehrere kleine Ateliers über die gesamte Kernstadt.
Demgegenüber arbeitet die Sommerakademie 2012 mit 23 unterrichtenden Künstlern und rund 300 Teilnehmenden. Die beiden Partnerstädte Poitiers in Frankreich und Sibiu/Hermannstadt in Rumänien erhielten je zwei junge Stipendiaten zwischen 18 und 30 Jahren spendiert.
Während bei der dreiwöchigen Sommerakademie die Fortschritte der Nachwuchs- und Hobbykünstler im Zentrum stehen, bietet die Ausstellung der Dozenten Einblicke in deren bildnerisches Schaffen. Die Bandbreite ist bei insgesamt 15 beteiligten Künstlern naturgemäß enorm.
In den beiden Räumen im Parterre stechen die drei lebensnahen Menschenporträts aus Keramik von Annegret Maria Kon hervor. Obschon sie auf weißen Podesten stehen, ist ihre kunstvolle Modellierung wenig abstrakt, vielmehr stark narrativ.
Im Foyer finden sich auch drei phantasievolle, farbige Druckgrafiken von Michael Mathias Prechtl. Der 2003 verstorbene Nürnberger Künstler war der erste Leiter der Marburger Sommerakademie.
Mit gleich acht Werken vertreten ist Martin Seidemann. Seine feinsinnig arrangierten Texturstudien in Mischtechnik oder Öl auf Leinwand bedecken eine ganze Längswand.
Ebenfalls überdurchschnittlich berücksichtigt wurde Eckhard Froeschlin, der drei freistehende Installationen sowie mehrere Gemälde ausstellt. Verbindendes Glied der erzählerisch angelegten Arbeiten ist eine etwas düstere Grundstimmung.
Erkennbar wird sie bereits in Werktiteln wie "Gräber", "Große Trommler" und "Bagno". Die malerischen "Pastellmontagen" könnten ohne Weiteres Autoren zu einer Kurzgeschichte anregen.
Ebenfalls eher düster sind die gemalten Gefühle der beiden Ungarn Andrasz Ernszt und Emö Simonyi. Er malt gegenstandsfreie Farbstrukturen; sie hingegen beschäftigt sich figurativ mit den Schrecken von Tsunamis.
Humorvoll sind dagegen die Insekten-Miniaturen der Mannheimerin Ana Laibach im hinteren oberen Saal. Einen gewissen Furor strahlen die beiden farbbeklecksten großen Kopf-Holzskulpturen und das großformatige Wandgemälde von Manfred Fischer aus Braunschweig aus.
Ansprechend konstruktiv sind die kraftvollen Architektur-Zeichnen von Ursula Strozynski und die tollen Linolschnitt-Grafiken von Philipp Hennevogl. Wunderbar verspielt und anregend sind die bildhauerischen Werke von Susanne Ahrenkiel.
Tina Stolt ist mit großformatigen Unikatdrucken auf Reispapier vertreten. Die Werke der Druckgrafik-Dozentin und Leiterin der SommerAkademie zeigen stark verfremdete weibliche Akte in einer abstrahierenden Manier.
Robert Schmidt-Matt aus Berlin durfte mit sechs Sandstein-Werken einen ganzen Saal-Innenraum füllen. Außerdem steht eine großformatige Natursteinskulptur des langjährigen Leiters der Steinbildhauer-Kurse auf dem Sockel vor dem Eingang zum Kunstverein.
Stolts Eröffnungsvortrag widmete sich vorwiegend der Herkules-Aufgabe, als künstlerische Leiterin einen so großen Betrieb zu integrieren. Sie wies zurecht darauf hin, dass aus rein praktischen Gründen "nur" fünfzehn Künstler in der Ausstellung berücksichtigt werden konnten.
Insgesamt seien in den 35 Jahren des Bestehens der Sommerakademie 100 Dozenten im Einsatz gewesen. Ohne eine starke Teamarbeit, für die sie sich bei allen Beteiligten bedankte, sei das gar nicht zu stemmen.
So schön die Ausstellung anzuschauen ist, fehlte bei dieser Vernissage jedoch entschieden die Hinwendung zum Publikum. Die zahlreich anwesenden Künstler der Gruppenausstellung wurden nicht einmal per Handzeichen vorgestellt. Weder die Eröffnungsrednerin noch der Vorsitzende des Kunstvereins kamen überhaupt auf die Idee, dass zu den vorgelesenen Namen der Künstler auch jeweils ein Gesicht verlangt wird. Zumal die am Empfangstresen ausgelegten Ausstellungskataloge ebenfalls zumeist keine Fotos der Künstler enthalten.
Warum ausgerechnet Künstler Anonymität beanspruchen sollten, ist ein Unding in sich. Oder kapitulieren gestandene Kunstvereinsleiter tatsächlich vor der relativen Herausforderung der Namen-Gesicht-Zuordnung einer Gruppenausstellung?
Jürgen Neitzel
Text 7388 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2017 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg