06.07.2012 (fjh)
"Andere Städte haben eine Universität; Marburg ist eine Universität." Diesen altbekannten Spruch zitierte die hessische Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher am Freitag (6. Juli) im Rathaus bei der Entgegennahme der Bewerbung Marburgs um Aufnahme ins Weltkulturerbe der UNESCO.
Unter dem Titel „Marburg – die Universität als kultureller Raum“ strebt die
Universitätsstadt Marburg gemeinsam mit der
Philipps-Universität die Aufnahme in die "Tentativliste" der UN-Organisation für Erziehung, Bildung und Kultur an. In einer sogenannten "seriellen Bewerbung" hat sich Tübingen diesem Vorstoß angeschlossen.
Die Idee einer Bewerbung Marburgs als Universitätsstadt stammt von dem Kunsthistoriker Ulrich Klein. Gemeinsam mit Kollegen hat er 1985 das
Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation (IBD) gegründet, das sich nicht nur bei der Sanierung der Oberstadt ab 1975 einen internationalen Ruf erworben hat.
Nach einem Gutachten des niederländischen Universitätshistorikers Prof. Dr. Willem Frijhoff unterscheidet sich Marburg durch seine "einzigartige enge Verbindung zwischen Universität einerseits und umgebender Stadt andererseits“ von anderen vergleichbaren europäischen Universitätsstädten. In den fast 500 Jahren seit der weltweit ältesten noch bestehenden protestantischen Universitätsgründung habe sich Marburg faktisch zum Prototyp der europäischen Universitätsstadt entwickelt. Durch die gegenseitige Durchdringung von Stadt und Universität sei ein einzigartiger Kulturraum entstanden.
Hölscher wird die Marburger Bewerbung nun an die anderen deutschen Bundesländer weiterreichen. Jedes Bundesland kann zwei Vorschläge für die deutsche Tentativliste unterbreiten.
In Hessen wollen auch die Mathildenhöhe in Darmstadt als erste Bauausstellung der Welt und Kristallisation der Jugendstil-Architektur sowie Wiesbaden in einer gemeinsamen Bewerbung mit anderen europäischen Kurstädten auf die Liste des internationalen Kulturerbes der Menschheit gelangen. Allerdings wird es wohl noch Jahre dauern, bis ihre Bewerbung im entsprechenden Gremium der UNESCO überhaupt behandelt wird.
Krause nannte das Jahr 2027 als Wunschdatum, weil die Philipps-Universität dann ihr 500-jähriges Bestehen feiern kann. Aber auch früher wäre ihr der begehrte Titel durchaus recht.
Die Universitätspräsidentin betonte, dass die Hochschule kein Museum werden wolle. Vielmehr betrachte sie die Bewerbung als Ausdruck einer lebendigen Weiterentwicklung der universitären Kultur in Marburg.
39 Prozent der Nutzfläche der Universität befindet sich ihren Angaben zufolge in denkmalgeschützten Einzelgebäuden. Das sei nicht immer leicht, betonte sie. Voller Vorfreude verwies sie aber darauf, dass ihre Hochschule bald den modernsten und "schönsten" Campus einer deutschen Universität mitten im Stadtzentrum haben werde.
Auch Oberbürgermeister Egon Vaupel betonte die engen Beziehungen zwischen Uni und Stadt. Gemeinsam haben beide eine Steuerungsgruppe unter Leitung des renommierten Marburger Historikers Prof. Dr. Eckart Conze gegründet, die die Bewerbung nun weiter vorantreiben soll.
Im gut gefüllten Stadtverordnetensitzungssaal stellten er und sein niederländischer Kollege im Anschluss an eine völlig übrfrachtete Pressekonferenz noch einmal die Bewerbung und ihre deren Grundlagen vor. Wichtig sei dabei, dass die Verknüpfung materieller und iedeeller Geschichte in der sichtbaren Form einer Stadt mit historischen Gebäuden, berühmten Persönlichkeiten und dem umgebenden kulturellen Raum bisher einzigartig für die Welterbe-Liste sei. Wegen der entsprechenden Bedingungen in der württembergischen Universitätsstadt Tübingen habe Marburg die Zusammenarbeit mit den dortigen Behörden hergestellt, sodass beide Städte nun gemeinsam antreten werden.
Mit seinem - das Stadtbild prägenden -Landgrafenschloss, der Elisabethkirche als herausragendem Meisterwerk deutscher Frühgotik, der historischen Oberstadt sowie den Wirkungsstätten zahlreicher bedeutender Persönlichkeiten besitzt Marburg gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung bei der UNESCO. Von Bedeutung sind dabei auch die historischen Sammlungen und Museen, die sich überwiegend im Besitz der Universität befinden.
Engagiert bemühen will sich die Stadt nach Auskunft von Vaupel auch um den Erhalt des Behring-Laboratoriums an der Wannkopfstraße, für das allerdings noch ein geeigneter Investor gesucht werde. Hier hatte der Medizin-Nobelpreisträger Prof. Dr. Emil von Behring an der Entwicklung von Impfstoffen geforscht, die Tausenden von Menschen das Lebben grettet haben.
Wenig informiert erwies sich dagegen Universitätspräsidentin Krause bei einer Nachfrage zum Anatomischen Museum der Philipps-Universität. Den kritschen Zustand der Präparate in der ältesten anatomischen Sammlung der Welt schien sie nicht zu kennen.
Krause, Vaupel und Hölscher als Vertreterin des Landes Hessen betonten indes die Verpflichtung, die alle Beteiligten mit dieser Bewerbung eingehen. Zudem bekräftigte Vaupel mit der öffentlichen Vorstellung er Bewerbung seine Überzeugung, dass der Vorstoß nur dann sinnvoll sein kann, wenn er von der gesamten Stadtgesellschaft getragen wird. An dieser Unterstützung dürfte es indes kaum mangeln.
Franz-Josef Hanke
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