23.06.2012 (jnl)
Gleich an zwei Stellen ist derzeit im Umfeld des Firmaneiplatzes flächig der Boden abgetragen. Die Fundlage präsentierte am Freitag (22. Juni) Bezirksarchäologin Dr. Christa Meiborg Marburger Baufachleuten und Medienvertretern.
Zu denen, die sich eine volle Stunde den Stand und die Resultate der Grabungen zeigen ließen, gehörte auch die Präsidentin der
Philipps-Universität, Prof. Dr. Katharina Krause. Im obersten Leitungsteam der Uni hat sie die Hoheit über alles mit Bauen Zusammenhängende, denn Kunsthistoriker verstehen, Pläne zu lesen.
Die Grabung zwischen den denkmalgeschützten Gebäuden der früheren HNO-Klinik und Hautklinik ist für Passanten weitgehend unsichtbar. Ausgelöst wurde sie durch die Notwendigkeit neuer Versorgungsleitungen für den geplanten Neubau der Universitätsbibliothek.
Gefunden wurde dort bislang Schlackebrocken der ehemaligen spätmittelalterlichen Schmiede, Münzen, Knochen und Keramikscherben sowie Fundamentreste. Die meisten Funde bestätigen das über die dortige Baugeschichte Gewusste, präzisieren allerdings Details.
Als besonders wichtig charakterisierte Meiborg die zahlreichen kleinen Fundstücke aus vorgeschichtlicher Zeit. Im weiteren Umfeld der Grabung muss irgendwo eine Lagerstätte von Menschen aus der Eisenzeit gelegen haben. Die genaue Lage konnte noch nicht bestimmt werden.
Möglicherweise ist man noch nicht tief genug vorgedrungen. Die dortige Grabung soll planmäßig Mitte Juli abgeschlossen werden.
Deutlich anders präsentiert sich das Grabungsgelände östlich der Elisabethkirche am Firmaneiplatz. Hier muss man erst Ende Oktober fertig werden.
Mit teilweise mehrt als zwei Meter tiefen Gräben spürt man dort unter anderem den Spuren des Hospitalbaus der Sankta Elisabeth nach. Nahezu zwei Meter tiefer als der Boden der Elisabethkirche liegt der "Laufhorizont" des 1228 nach den Regeln damaligen Bauwissens errichteten Krankenhauses.
Die Mittelalter-Historikerin und Chefin des Hessischen Landesamt für Geschichtliche Landeskunde, Prof. Dr. Ursula Braasch-Schwersmann, gab auf Wunsch Erläuterungen über die Raumnutzung einer mittelalterlichen Klinik.
Mit heutigen Vorstellungen hat das wenig zu tun. Alle Krankenbetten mussten etwa mit mehreren Patienten geteilt werden. Nur Frauen und Männer waren getrennt untergebracht.
Immerhin gab es eine bleierne Quellwasserzuleitung, die nachweisbar unter der Erde vom Elsabethbrunnen eingangs des Wehrdaer Wegs bis zum Hospital führte. Wegen der feuchten Witterung konnten die Archäologen nicht tief genug vorstoßen, um sie freizulegen, da das Grundwasser hoch steht.
Als hocherfreulich bezeichnete die Bezirksachäologin die gelungene Hervorhebung der Baugeschichte im Bereich der hinteren Elisabtehkirche. Die das ehemalige Grab Konrad von Marburgs enthaltene steinerne Kirche ist in Umrissen auf den Bodenplatten nunmehr gut zu sehen.
Innerhalb von sieben Jahren von 1228 bis 1235 war auf dem Terrain zunächst eine Kapelle, dann eine steinerne Kirche und der Beginn des heutigen Kathedralbaues nachweisbar.
Die Archäologen, die stolz erste Funde präsentierten, kämpfen mit der ungewöhnlich feuchten Witterung. Soweit inaktive Bereiche der Grabung nicht mit Planen abgedeckt sind, wurden auf hohen Gewölbestangen Plastikplanen über den aktiven Grabungen gespannt. Bisher musste man nur stundenweise wegen starken Regens die Arbeiten pausieren. Die Stimmung der Forscher ist dennoch sichtlich gut.
Jürgen Neitzel
Text 7318 groß anzeigenwww.marburgnews.de