15.06.2012 (jnl)
Freizügig erotisch und zugleich düster bis romantisch sind die Acryl- und Mischtechnik-Malereien der jungen Wetzlarer Künstlerin Catharina Herbel. Zur Vernissage am Donnerstag (14. Juni) im Gastronomie-Bereich der
Waggonhalle Marburg kamen "nur" rund zwanzig Leute, denn die Fußball-EM dominiert medial derzeit alles.
Genaues Hinsehen lohnt bei der unter dem Thema "Weiblichkeit" firmierenden Ausstellung. Denn maltechnisch sind die rund 20 Gemälde teilweise bemerkenswert gut. Die Farbdramaturgie und nuancierten Abstufungen der Mischtechnik-Werke zeigen, dass Talent und Übung eine avancierte Kunst hervorzubringen erlaubt.
Um Porträts handelt es sich nicht - oder höchstens indirekt. Selbst in einem Bild, in dem man aufgrund äußerer Ähnlichkeit ein Selbstporträt vermuten würde, wird dies von ihr selbst als nicht zutreffend bezeichnet.
Gesichter wie Gliedmaßen wirken eher skizziert - wie auf Zeichnungen. Männer kommen nur ganz am Rande als - zuweilen düsteres - Beiwerk vor, denn es geht ausschließlich um "Weiblichkeit".
Charakteristisch sind bei allen Frauen-Gestalten die übergroßen Augen. Sexualität ist vordergründig freizügig betont, aber jedes Bild erzählt insbesondere eine situative Geschichte.
Herbel verschmäht es, "Ohne Worte" unter ihre Bilder zu setzen, nutzt die Bildtitel gerne für Hinweise. Eine in schwarz-weißen Schattierungen gehaltene Darstellung eines Ex-Paares zum Beispiel heißt "Früher war alles besser!". Die nur zu bekannte Situation ruft ob des ironischen Humors spontan leises Lachen hervor.
Im Gespräch mit der Künstlerin stellt sich heraus, dass sie eher keine gesellschaftskritischen Intentionen verfolgt. Die halbnackerten jungen Frauen, an deren Seite Scheusale von Männern abgebildet sind, sind keineswegs als Kritik an osteuropäischen Zwangsprostituierten und Zuhältern beabsichtigt.
Männer sieht sie vor dem Hintergrund persönlicher Erfahrungen im Geschlechterkampf kritisch. Zugleich betont sie, dass sie in einer entspannten, glücklichen Zweierbeziehung lebe.
Im Brotberuf ist die gelernte Erzieherin in einer Tagesstätte für psychisch Erkrankte tätig. Vorwiegend nachts macht sie sich ans Malen.
Als Autodidaktin hat sie sich Zeichnung und Malerei ganz ohne akademischen Kontext selbst beigebracht. Anfangs malte sie in abstrakter Manier, aber das ließ sie für einen expressiveren, figurativen Stil hinter sich.
Bisher hat Herbel einige Austellungen unmittelbar im Wetzlarer Raum gehabt. Mit dem Vorstoß nach Marburg möchte sie weitere Kunstfreunde und Käufer gewinnen. Als bloßes Nebenbei-Hobby sieht sie die Malerei nicht mehr.
Tatsächlich passen die farbenfrohen Leinwände mit erotischen, oft barbusigen Frauengestalten ganz ausgezeichnet in das Baudenkmal-Ambiente des "Rotkehlchen" und zum dortigen Publikum. Die Ausstellung ist noch bis Sonntag (22.Juli) zu sehen.
Jürgen Neitzel
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