27.05.2012 (fjh)
Politisches, Poetisches und viel Humor bot am Samstag (26. Mai) eine musikalisch-literarische Lesung
mit Gedichten von Peter Hacks. Die Schauspielerin Pruniella Fuchs und der Musiker Michael Protzen überzeugten dabei das Publikum in der "Bühne 2" der
Waggonhalle.
Als die Zuschauer gleichzeitig den Raum betraten, lag Fuchs auf dem Boden. Nachdem alle Platz genommen hatten, rief sie laut nach dem "Musikus". Daraufhin stürzte Protzen von der ersten Reihe aus auf die Bühne und begann, ihre zwischenzeitlich weiter fortgeführte Rezitation mit Gitarrenklängen zu untermalen.
Anschließend wechselten Text und Musik mitunter ab, während Protzen die Rezitation einiger Gedichte auch musikalisch untermalte. Ein Gedich auf die "Heimat" begleitete er beispielsweise mit der DDR-Nationahlhymne "Auferstanden aus Ruinen".
1955 war Hacks im Alter von 23 Jahren "aus Bayern in die DDR geflohen", wie Fuchs seine Ausreise beschrieb. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) fühlte der Dichter sich eher heimisch als im erzkatholischen konservativen Bayern der 50er und 60er Jahre.
So wurde die Wiedervereinigung für ihn auch zur "großen Schreckenswende". Seine Irritation darüber fasste er ebenso in Gedichte wie seine politische Überzeugung.
Das Gedicht "Venus und Stalin" zeigt jedoch, dass er kein Ideologe war. Vielmehr drückt der Schluss "Die Liebe und die Sowjetmacht Sind nur mitsammen darstellbar" eine ironische Distanz zum Sowjetführer Josef Stalin aus, der während seiner eifrigen Arbeit nur hin und wieder auf die nackte Liebesgöttin neben ihm schielt.
Hacks Texte sind meist gereimt. Dennoch sind sie keine leichte Kost. Ernst und subtile Ironie wechseln einander ab, sodass man sich nicht immer im Klaren ist darüber, was der Autor eigentlich ernst meint und was er ironisch in Frage stellt.
Gerade diese Subtilität hat Fuchs mit ihrer Vortragsweise hervorragend herausgearbeitet. Ihr ist es gelungen, dem Publikum einen interessnten und kurzweiligen Zugang zu Autor und Werk zu eröffnen.
Mit starker Stimme rezitierte sie die Verse des engagierten Schriftstellers. Leise Töne, schnelles Sprechen oder langsame Passagen setzte sie dabei so gekonnt zur Betonung der Inhalte ein, dass die 45 Minuten Rezitation auch icht eine Sekunde lang langweilig wurden.
Mit beigetragen dazu hat auch Protzen, dessen Musik sich aber meist im Hintergrund hielt. Bei einem Gedicht über das Verhältnis von Männern und Frauen tauschten die beiden Künstler aber schnell ihre Rollen, sodass nun Protzen rezitierte, während Fuchs Musik machte.
Die herausragende Lesung schloss eine gemütliche Gesprächsrunde der Besucher mit den Künstlern stimmungsvoll ab. Alle Anwesenden waren davon sichtlich angetan.
Ein Wermutstropfen war allein, dass die Zahl der Zuschauer an zwei Händen abzählbar war. Angesichts ihrer grandiosen Leistung bei der Lesung ist Protzen und Fuchs nur zu wünschen, dass ihre Aufführung des Hacks-Theaterstücks "Der Bär auf dem Försterball" für Menschen ab sechs Jahren am Pfingstsonntag (27. Mai) um 15 Uhr ebenfalls auf "Bühne 2" der Waggonhalle mehr Menschen anlocken wird. Schließlich ist all denjenigen, die am Vorabend weggeblieben waren, damit ein großer Genuss entgangen.
Franz-Josef Hanke
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