04.05.2012 (fjh)
Die Internet-Datenbank "behring-digital“ an der
Philipps-Universität hat Christian-Ulrich Behring am Donnerstag (3. Mai) für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Berliner Großneffe des Nobelpreisträgers Prof. Dr. Emil von Behring durchschnitt dazu das virtuelle rote Band.
Hinter der Datenbank verbirgt sich das - von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte - Projekt "Erschließung, Digitalisierung und Bereitstellung des Nachlasses Emil von Behrings im Internet“. Unter Leitung von Prof. Dr. Christoph Friedrich und Dr. Kornelia Grundmann führen die Emil-von-Behring-Bibliothek - Arbeitsstelle für Geschichte der Medizin - und das Institut für Geschichte der Pharmazie in Kooperation mit der Universitätsbibliothek (UB) und dem Hochschul-Rechenzentrum (HRZ) dieses Vorhaben seit 2009 durch.
Friedrich ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Geschichte der Pharmazie. In seiner Begrüßung umriss der Projektleiter die hohen Anforderungen, die die Erschließung und Digitalisierung tausender Dokumente an die Projekt-Mitarbeiter gestellt hat. "Es ist eine besondere Freude, dass die Digitalisites seit heute in aller Welt abrufbar sind“, betonte er.
Grundmann informierte über die wechselvolle Geschichte des Marburger Behring-Nachlasses. 1999 kam er mit Auflösung des Archivs der Behringwerke zunächst als Depositum an die Philipps-Universität. Als Schenkung von der - den Behringwerken nachfolgenden - Sanofi Aventis GmbH wurde er 2011 der Universität übereignet.
"Der gesamte persönliche Nachlass Behrings war bis dato nur durch Zettelkataloge erschlossen", berichtete Grundmann. "Die rund 1.800 Leitz-Ordner des Firmenarchivs waren gänzlich unkatalogisiert.“
Dr. Ulrike Enke von der Emil-von-Behring-Bibliothek und Diplom-Bibliothekarin Martina Kahler erläuterten die Vorgehensweise bei der Erschließung der Schriftstücke und die Bedienung der neu entstandenen Datenbank anhand von Beispielen. "Zusätzlich haben wir bereits ausgewählte Bücher aus der tausendbändigen Privatbibliothek Behrings digitalisiert, deren handschriftliche Annotationen Aufschluss über das Denken und Handeln des Wissenschaftlers und Privatmanns Behring geben“, fügte Enke hinzu.
"Vom Schulheft des ersten Schuljahres bis zur Nobelpreisurkunde harrt alles einer systematischen wissenschaftlichen Auswertung“, erklärte Prof. Dr. Gerhard Aumüller. Der ehemalige Leiter der Emil-von-Behring-Bibliothek vertrat bei dieser Veranstaltung den Dekan des Fachbereichs Medizin.
Universitätsvizepräsident Prof. Dr. Joachim Schachtner würdigte in seinem Grußwort die wissenschaftliche Leistung Behrings auf dem Gebiet der Bakteriologie sowie seine Verdienste bei der Entwicklung der pharmazeutischen Industrie. "Damit schuf der Wissenschaftler und Unternehmer die Grundlage dafür, dass Marburg bis heute einer der bedeutendsten Standorte der pharmazeutischen Forschung und Industrie in Deutschland ist“, resümierte Schachtner.
Oberbürgermeister Egon Vaupel lobte in seinem Beitrag das Engagement des Ehrenbürgers Behring als Kommunalpolitiker, der sich für die Verbesserung der Trinkwasserversorgung, die Einrichtung eines Gesundheitsamtes sowie für den Bau des zweiten hessischen Kanalsystems in Marburg einsetzt hat. Pharmazie-Dekan Prof. Dr. Michael Keusgen, stellte in seinem Grußwort schließlich die Frage, was ein Nachlass eigentlich sei.
"Zunächst haftet ihm etwas Trauriges an, denn er ist immer mit dem Tod eines Menschen verbunden", erläuterte er. Aber ein Nachlass – insbesondere, wenn er mit so reichen persönlichen Aufzeichnungen aufwarte wie die Papiere Behrings - habe auch eine mystische Komponente.
Es gelte, Geheimnisse zu lüften und Wissenslücken zu schließen. "Die fruchtbare Erschließung der Behring-Schriften birgt einen Schatz, den es zu heben gilt", schloss Keusgen.
Bei der offiziellen Freischaltung von "behring digital“ rief Christian-Ulrich Behring zunächst den Datensatz mit dem Geburtshaus seines berühmten Großonkels in Hansdorf im damaligen Ostpreußen auf. "Es freut mich besonders, dass der Nachlass Behrings, der im heutigen Polen in einem Schulhaus auf die Welt kam, ausgerechnet am 3. Mai - dem polnischen Nationalfeiertag - der Öffentlichkeit unter Anteilnahme meiner Freunde in Hansdorf übergeben wird“, erklärte er.
Sichtlich bewegt war der Großneffe vom Kondolenzschreiben seiner Großmutter an ihre Schwägerin aus dem Jahr 1917. Diesen Brief an die Witwe Emil von Behrings hat er zum ersten Mal in der Datenbank gesehen.
Der Arzt und Medizin-Nobelpreisträger Emil von Behring (1854–1917) wurde weltberühmt durch die Entwicklung der Serumtherapie gegen Diphtherie. Von 1895 bis 1917 lehrte er an der Philipps-Universität als Hygiene-Professor.
Er hinterließ eine große Zahl von Briefen, Tagebüchern, Labornotizen und sonstige Aufzeichnungen, die interessante Einblicke in sein wissenschaftliches Werk, sein berufliches Wirken sowie sein privates Umfeld gewähren. Der circa 1.650 Briefe umfassenden wissenschaftlichen Korrespondenz mit Persönlichkeiten wie Paul Ehrlich und berühmten französischen Kollegen kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu.
Bisher konnte die Forschung die in Marburg aufbewahrten Materialien nur eingeschränkt nutzen. Das von der DFG finanzierte Projekt zur Erschließung und Digitalisierung des kompletten Nachlasses läuft von 2009 bis 2013. Da ein großer Teil des digitalisierten Materials auch mit Inhaltsangaben und biographischen Informationen verknüpft wurde, bietet die Datenbank mit Hilfe integrierter Suchfunktionen einen hervorragenden Einstieg in die weitere Erforschung des wertvollen Bestands und damit auch der Lebensleistung Behrings.
Künftig sollen nicht nur Behrings Erfolge wie die Herstellung des ersten Tetanus-Impfstoffs, sondern auch ie Geschichte des Scheiterns seiner 10 Jahre lang exzessiv betriebenen Forschung an einem Tuberkulose-Impfstoff erforscht werden. Das könnte zu einer umfassenden Werksgeschichte beitragen, erläuterte Grundmann: "Nicht nur die Erfolge, sondern gerade die Misserfolge führen ja oft zu neuen Erkenntnissen in der Wissenschaft.“
pm: Philipps-Universität Marburg
Text 7134 groß anzeigenwww.marburgnews.de