01.05.2012 (fjh)
"Hexen, Magier und Zauberer" hatten fast 60 Menschen in die Brüder-Grimm-Stube gelockt. Der Kulturwissenschaftler Christoph Wagenseil gab ihnen dort am Montag (30. April) auf Einladung des
Religionswissenschaftlichen Medien-Informationsdiensts (REMID) einen geschichtlichen Überblick über das gesellschaftliche Verständnis von Magie und Hexerei.
"Märchen und Realität" bildeten dabei den Spannungsbogen der Entwicklung. Ausgangspunkt des Vortrags war das Mittelalter, das allerdings überhaupt nicht so finster war, wie viele meinen.
"Das Mittelalter war farbenprächtig und bunt", erklärte Wagenseil. Zum Beweis zeigte er eine prächtige Buchillustration, die seine Aussage überzeugend belegte.
Erst in der "Frühen Neuzeit" seien Hexenverfolgung und Prozesse wegen Ketzerei aufgekommen. Ein Grund dafür sei die Entdeckung Amerikas gewesen, das noch bis weit ins 18. Jahrhundert für "Indien" gehalten wurde.
Berichte über "die erschröcklichen Menschenfresser" regten damals die wildesten Phantasien an. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und die Wiederentdeckung antiker Quellen stellten jahrhundertealte Glaubenssätze in Frage.
Dieses neue Wissen hätten einige als "Magie" benutzt, erklärte der Referent. Andere wiederum hätten die Nutzung dieses Wissens bekämpft. Aus diesem Streit seien letztlich auch dämonisierende Beschreibungen von Hexen und Magiern hervorgegangen.
In den Märchen der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm finden sich Hexen und andere Fabelwesen wieder. Auch wenn das Volk derartige Märchen bereits 100 Jahre zuvor mündlich überliefert habe, seien Märchen im heutigen Sinne doch Produkte der Epoche der "Romantik".
Uralte Sagen werden darin oft mit realen Begebenheiten, Volksmystik und freien Erfindungen verknüpft. Grimms Märchen seien Ausdruck der romantischen Hinwendung zu Natur, Mystik und einer technikfeindlichen Realitätsflucht.
Ausgehend von den Märchen der Brüder Grimm und anderer Autoren schloss Wagenseil seinen Bogen mit den Gestalten aus der modernen Fantasy sowie Vorstellungen der zeitgenössischen Esoterik. Figuren wie der Zauberer Gandalf aus Ronald Tolkins "Herr der Ringe" oder Harry Potter symbolisierten diese Entwicklung.
Zum Schluss reichte Wagenseil eine Räucherschale im Publikum herum. In den Deckel waren Pentagramme eingeschnitten. Sie sollen nach dem Glauben vieler Magier und Esoteriker böse Geister abhalten.
Im Anschluss an den - durch viele Bilder veranschaulichten - Parforceritt durch fast 1.000 Jahre Geschichte entspann sich eine rege Debatte zwischen Wagenseil und dem Publikum. Im Wesentlichen beschränkte sie sich allerdings auf Detailfragen.
So entließ REMID-Vorsitzende Maria Mahler die Besucher nach gut eineinhalb Stunden wieder in den lauen Frühlingsabend. Freilich tat sie das nur mit der Bemerkung, dass nun ja die Walpurgisnacht beginne, die nach vielen verbreiteten Vorstellungen den jahreszeitlichen Höhepunkt der Hexerei darstellt.
Franz-Josef Hanke
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