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Für Selbstgestaltung


Ensemble-Produktion des Landestheaters überzeugte

16.04.2012 (jnl)
Ein brisantes politisches Thema hatten sich Mitglieder des Hessischen Landestheaters Marburg als kollektive Eigenproduktion vorgenommen. Die Premiere von "Wo geht’s denn hier zum rechten Rand?" am Sonntag (15. April) auf der Studiobühne "Black Box" am Schwanhof zeigte das handwerklich sehr gelungene Ergebnis ihrer Arbeit.
Die Besorgnis über das Vordringen fremdenfeindlicher und gewaltbereiter Einstellungen in die deutschen Mittelschichten ist ein Ausgangspunkt des Stücks. Eine breite Palette schauspielerischer Formensprache wurde auf dieses Thema angewandt.
Herauskam eine rund 80-minütige Collage aus Szenen mit rechtsextremen Textzitaten, Posen, Quiz, Boxkampf, Jugendzeltlager und persönlichen Statements der Schauspieler. Das ganze Geschehen war äußerst abwechslungsreich, Langeweile hatte keine Chance.
Zugegebenermaßen strapazierten die - mit bemerkenswerter Textsicherheit frei hergesagten - rechtsradikalen Wunschvorstellungen anfangs arg die Geduld. Heile Familien, heile Dörfer und Kleinstädte, heiles Arbeitsleben - nur ohne Ausländer und Linke - sowie Idyllen der Rückwärtsverklärung wurden darin propagiert.
In einem nach bekannten Fernsehvorbildern gestalteten Quiz ging es darum, aus Vorgaben die einzig richtige, "deutsche" Antwort zu pushen. Das führte sich inhaltlich selbst ad absurdum.
Die einzige konkrete Anspielung im Stück auf die Furcht und Schrecken verbreitende Gewaltbereitschaft der Rechtsradikalen war ein mit "NSU" beschrifteter Koffer. Aus ihm holten die Darsteller Utensilien wie eine Pistole, eine Maske, einen rosaroten Panther oder eine Bombe.
Mit hoher Dynamik in den - von den Schauspielern selbst ohne Regisseur - durchchoreographierten Bewegungsabläufen lief das Stück wie am Schnürchen. Für nahezu jede Szene wechselten die vier Darsteller das Kostüm.
Die Schauspielerinnen schwelgten in tollen Kleidern. Die Schaulust feierte fröhliche Urständ. Da bleibt allerdings kritisch anzumerken, dass über all diesem kurzweiligen, bunten Treiben das groß herausgestellte Thema "Rechtsradikale" beim Zuschauen ziemlich ins Hintertreffen geriet.
Die Gestaltung der Bühne als Karree zwischen vier Besuchertribünen ist sehr zu loben. So nah dran am Geschehen sitzen die Theaterfreunde sonst selten.
Die Ensemble-Mitglieder Annette Müller, Charles Toulouse und Oda Zuschneid sowie die Gastdarstellerin Agnieszka Habraschka zeigten den hohen Standard ihres darstellerischen Könnens. Die Noch-Studentin Habraschka, die auch schon in "Don Carlos" gefiel, bewies erneut, dass in ihr eine tolle Schauspielerin steckt.
Gemeinsam mit der Dramaturgin Eva Bormann und dem Regieassistenten Marcel Franken hatten die Darsteller das Stück konzipiert und auch selber kollektiv die Regie übernommen. Chapeau! Diesem Team ist eine tolle Leistung geglückt.
Das Publikum war mit diesem fulminanten Theaterabend mehr als zufrieden und feierte die Mitwirkenden mit lang anhaltendem Applaus. Über die rätselhafte Szene mit dem mehrmaligen Aufbau und Abbau eines Zeltes wird man noch weiterhin nachdenken.
Jürgen Neitzel
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