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Prinzip Nonchalance


Dada-Performance in der Cavete

15.04.2012 (jnl)
"Vitaler Nebel mit Sinn ist im Leben relativ" heißt die Dada-Einmann-Show von Martin Maecker. Das Ensemble-Mitglied des Hessischen Landestheaters Marburg präsentierte sein theatralisches Pädoyer für Nonchalance am Samstag (14. April) in der Cavete.
Dada ist eine gut hundert Jahre alte Revolte-Bewegung von Bohème-Künstlern gegen Verkrustungen, Bürgerlichkeit und Konventionen in Literatur, Kleinkunst und Theater. So wie der Punkrock die Rockmusik erneuerte, gelang es auch Dada, einiges Neues in die Welt zu setzen.
Angesagt ist beim Dada vor allem Spontaneität, eine gewisse Verrücktheit und Unvorhersagbarkeit. Maecker ließ es sich angelegen sein, dem gerecht zu werden.
Auftakt des Abends war eine Videosequenz, in der ein einige Jahre jüngerer Maecker sich programmatisch erklärt. Wer eben nicht in materiellen Lebenszielen aufgeht, der könne guten Gewissens die Kunst und das Theater zum Lebensinhalt wählen.
Dann ertönte eine - aus dem Zirkus wohlbekannte - Einmarsch-Fanfare, die allerdings auf höchst clowneske Weise in schrägen Flötentönen daherkam. Der Künstler indes betrat die Bühne erst nach gefühlten Minuten, in denen die Spannung bis zum Zerspringen anwuchs.
Komik ist Tragik in Spiegelschrift; so liest sich der Titel "Vitaler Nebel ...") von vorn und von hinten gleichermaßen. Kurt Schwitters berühmtes Liebesgedicht "Anna Blume" und andere Dada-Texte wurden ausgiebig im knapp 70-minütigen Programm zitiert.
Um Artischockentürknäufe, Landpomeranzen, Traumfische und eine Zoologische Garten-Lotterie ging es in - leider größtenteils nur verlesenen - Kabinettstückchen. "Wenn es um Glück geht, geht es dann noch um Glück?", stellte der Spaßvogel aus dem Landestheater rhetorisch die Frage des Lebens.
Man möchte ihm recht geben, denn zumindest in Kunst und Wissenschaft sind die richtigen Fragen wichtiger als die Antworten. Denn Antworten können immer nur vorläufig sein, demnächst schon wieder überholt.
Tausendsassa Maecker - gekleidet in einen aus knallbunten Plastikbeuteln gefertigten Phantasie-Anzug - begab sich blitzenden Auges in den Beweiskampf, dass Zahlen gleich Worte, Anna Blume gleich Liebe und Dada rundum Alles sei. Keineswegs "eine Wiege für sanftes Schaukeln" mochte Maecker bieten. Dabei waren neben Fremdtexten eigene Anspielungen auf Marburger Verhältnisse, sinnfreie Lautgedichte, Wladimir Putins Kusine, Videosequenzen und Luftgitarre.
Nebenbei ergab die Wiederaufführung dieser Abschlussarbeit aus Maeckers Theaterstudium in Graz auch einige Einblicke in die Persönlichkeit des Schauspielers. Ein Bürgerschreck ist Maecker - trotz Dada-Nähe - demnach nicht, wohl aber ein Lebemann und Liebhaber der Spontaneität. Wer einen kurzweiligen Abend mit absichtsvoll verwirrenden Gleichungen mag, der ist bei Maeckers Dada-Performance in der Cavete gut aufgehoben.
Jürgen Neitzel
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