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Konflikte lösen


Vortrag zu Religion und Gewalt-Nachsorge

05.04.2012 (mal)
"Es ist immer besser, zu reden, als zu schießen“, verkündete der Friedensforscher Prof. Dr. Heinz-Günther Stobbe am Mittwoch(4. April). Von Religion und Gewalt-Nachsorge handelte sein Vortrag im Rahmen der Reihe "Religion am Mittwoch“. Durchgeführt wurde er im Fachbereich Religionswissenschaft der Philipps-Universität.
Seit 1996 ist Stobbe Professor für Systematische Theologie und theologische Friedensforschung im Fach Katholische Theologie an der Universität Siegen. Vorher war er Professor für Ökumenik und Friedensforschung an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) in Münster.
Die römisch-katholische Friedensethik gebe christliche Antworten auf die Frage, wie in Bezug auf Frieden gehandelt werden solle. Das spiele vor allem in Konflikten eine gewichtige Rolle, wo religiöse Dimensionen zur Gewalteskalation führen. Die Katholische Kirche habe sich in der Vergangenheit immer wieder erfolgreich für den Frieden eingesetzt. Besonders Papst Benedikt XV. sei in diesem Bereich zu nennen. Von 1914 bis 1922 hatte er sein Amt inne.
Auf Grund seines engagierten Auftretens gegen den Ersten Weltkrieg wurde er als Friedensstifter bekannt. Durch sein Engagement wahrte die Katholische Kirche während des Ersten Weltkriegs strikte Neutralität.
Sie organisierte humanitäre Hilfe und unternahm mehrere erfolglose Versuche zu Friedensverhandlungen. Ab 1920 rief Benedikt XV. im Rahmen der Gewalt-Nachsorge zur Versöhnung der Völker auf und kritisierte den Friedensvertrag von Versailles.
Sowohl innerkirchlich als auch öffentlich sprach er sich bis zum Ende seiner Amtszeit vehement für die Anerkennung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aus. Darüber hinaus setzte er sich stets ein für Abrüstung, ein wirksames internationales Völkerrecht sowie eine effektive internationale Schiedsgerichtsbarkeit zur Vermeidung künftiger Kriege.
Die Friedensdoktrin Benedikts XV. wurde fester Bestandteil des kirchlichen Lehramts seiner Nachfolger. Sie sei auch die Grundlage der heutigen Friedensethik, erklärte Stobbe.
Ein Musterbeispiel sei die Entnazifizierung und aufklärende Umerziehung im Nachkriegsdeutschland durch die alliierten Besatzungsmächte gewesen. Immerhin haben die christlichen Kirchen einen wesentlichen Beitrag zur anschließenden Völkerversöhnung geleistet und die Annäherung der Deutschen, Franzosen und US-Amerikaner durch Care-Pakete und Begegnungsveranstaltungen unterstützt. Nicht zu unterschätzen seien auch seelsorgliches und psychotherapeutisches Handeln für die Opfer von Konflikten und Gewaltakten.
In ähnlicher Weise müsse sich aber auch die Katholische Kirche selbst ihren eigenen Problemen annähern. Angesichts der aktuellen Missbrauchsfälle sprach sich Stobbe auch für Reformen innerhalb der Katholischen Kirche und für Konsequenzen für die Täter aus. Nur so könne sie künftig noch glaubwürdig und wirksam als Moralinstanz auftreten und friedensstiftend auf Konflikte einwirken.
Der Kirche falle es schwer, sich intensiv mit der eigenen Geschichte sowie der Beteiligung an Gewaltakten auseinanderzusetzen. Wenn aber die Beteiligten an Gewaltakten nicht zur Rechenschaft gezogen werden, sei eine effiziente Konfliktaufarbeitung und Friedenskonsolidierung nicht möglich. Sie sei auch dann nicht möglich, wenn Religionsgemeinschaften Konfliktparteien einseitig unterstützen und somit über keinerlei Neutralität verfügen.
"Wenn du den Frieden willst, dann bereite den Frieden vor“, schloss Stobbe mit einem Lehrsatz aus der katholischen Friedensethik.
Martin Ludwig
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