26.03.2012 (phg)
Experten der Universitäten Marburg und Karlsruhe haben einen Praxis-Leitfaden entwickelt, mit dem sich geeignete Flächen für Auwaldpflanzungen ermitteln lassen. Das hat die
Philipps-Universität am Montag (26. März) bekanntgegeben.
Entstanden ist der Praxis-Leitfaden im Rahmen eines - von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 350.000 Euro geförderten - Projekts. Ökologische Kriterien sowie Ziele des Hochwasserschutzes sollen hier unter einen Hut kommen.
Die Untersuchungen am Beispiel des Rühstädt-Bälower Bogens nahe Wittenberge ergaben, dass die Elbevorländer ein beträchtliches ökologisches Potenzial für Auwälder sowie ausreichend Überflutungsareale für den Hochwasserfall bieten. Auf Basis der Ergebnisse wurden an der Mittelelbe fünf Hektar neuer Auwald gepflanzt.
"Auwälder gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen in Deutschland", sagte DBU-Generalsekretär Dr. Fritz Brickwedde zum Projektabschluss. "Wir wollen diese wertvollen Biotope bewahren und zeigen, dass Natur- und Hochwasserschutz mit innovativen und nachhaltigen Strategien vereinbar sind."
In der Vergangenheit seien viele Auwälder abgeholzt und zu Weideland umgewandelt worden. Seitdem die häufigeren und schwereren Flusshochwasser in das Licht der Öffentlichkeit gerückt seien und auf das Fehlen dringend benötigter Überflutungsflächen deuteten, sei eine Umkehr dieser Entwicklung im Gange.
"Unsere Untersuchungen bei Wittenberge haben ergeben, dass die weitläufigen Grünländer der Elbevorländer winterliches Schmelzwasser oder Hochwasser nach starken Regenfällen auch dann noch aufnehmen können, wenn ökologisch nicht unbedeutende Teilbereiche zu Auwäldern umentwickelt werden", erklärte die Projektleiterin Dr. Ilona Leyer von der Arbeitsgemeinschaft Naturschutzbiologie der Philipps-Universität. Dazu seien zwei Szenarien mit 32 Hektar und 49 Hektar zusätzlicher Weichholzaue untersucht worden.
Weichholzauen, in denen zum Beispiel Schwarzpappeln oder Silberweiden wachsen, erfüllen laut Leyer herausragende Funktionen für die Natur. "Sie verhindern zum Beispiel das Unterspülen und Wegbrechen der Uferböschungen", erläuterte Leyer. "Überflutete Auwälder filtern zudem das versickernde Wasser und führen es dem Wasserlauf in besserer Qualität wieder zu."
Dennoch werde die Neuanlage von Auwäldern wegen der dramatischen Hochwasserereignisse der letzten Jahre immer noch kritisch gesehen, ergänzte DBU-Naturschutzreferent Dr. Volker Wachendörfer. Es sei bekannt, dass zu dichter Gehölzbewuchs am Flussufer die Hochwassergefahr verschärfen könne.
Im Hochwasserfall müsse das Wasser das Gehölz um- und durchfließen. Die dabei entstehenden hydraulischen Widerstände könnten einen Wasseraufstau stromaufwärts verursachen. Das geschehe allerdings alles nur, wenn der Auwald an Stellen platziert werde, die für das abfließende Wasser keinen wichtigen Korridor darstellen.
"Der entwickelte Praxisleitfaden erlaubt Anwendern – wie Naturschutzeinrichtungen, Planungsbüros und Wasserbehörden – nun, die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sowie von NATURA 2000 umzusetzen", betonte Leyer. "Das im Projekt angewandte Verfahren lässt sich außerdem auf Hartholzauwälder übertragen." Insgesamt sei es das Ziel, Überflutungsräume zu vergrößern und das Hochwasserrisiko für naheliegende Siedlungen zu verringern.
Das DBU-Projekt wurde von einem Expertenrat wissenschaftlich begleitet und positiv bewertet. Vertreter der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz, des Bundesamts für Naturschutz in Bonn sowie des Fachbereichs Ingenieurhydrologie und Wasserbewirtschaftung der Universität Darmstadt gehörten diesem Gremium an.
Das Biosphärenreservat Mittelelbe in Sachsen-Anhalt und das Forstamt Kyritz in Brandenburg haben die Forschungsergebnisse modellhaft umgesetzt. 2011 erhielt das Projekt den Projekt-Förderpreis der Deutschen Ökologischen Gesellschaft.
pm: Philipps-Universität Marburg
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