Logo: marburgnewsMobile Marburgnews

Zum Menü

Kommerzielle Seite


Senat sorgt sich um Klinikum

19.03.2012 (fjh)
Eine scharfe Resolution zur aktuellen Situation am Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM) hat der Senat der Philipps-Universität in seiner Sitzung am Montag (19. März) beschlossen. Unterstützt wird sie vom Personalrat, der Zentralen Frauenbeauftragten, dem Vorstand des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses (AStA) und der Fachschaftenkonferenz (FSK).
Der Senat verfolgt und begleitet die Fusionierung mit dem Uni-Klinikum Gießen und die anschließende Privatisierung durch einen börsennotierten Konzern von Anbeginn mit großer Aufmerksamkeit. Der Senat stellt mit Bedauern fest, dass viele seiner Befürchtungen bestätigt und die negativen Auswirkungen auf das Klinikum und die Universität immer deutlicher werden.
"Kostensenkungen von bis zu 10 Millionen € im laufenden Jahr gefährden die Universitätsmedizin in Mittelhessen in ihrer Substanz", heißt es in dem Beschluss. Die Universitätsvertreter kann nicht beruhigen, dass die Rhön-Klinikum AG vom Stellenabbau aktuell teilweise abrückt.
Bereits in der primären Entscheidung, die Gemeinnützigkeit aufzugeben, die Krankenversorgung aus der Einheit in einer Uni-Klinik von Krankenversorgung, Forschung und Lehre heraus zu veräußern und an einen im 3-Monats-Rhythmus auskunftspflichtigen börsennotierten Konzern zu verkaufen, ist nach Ansicht des Senats der Keim zum Scheitern des gesamten Projekts gelegt worden. Nur durch das reibungsarme oder reibungslose Zusammenspielen von Krankenversorgung und Forschung sei medizinischer Fortschritt zu erzielen.
Eine Universitätsklinik hat nach Auffassung des Gremiums die gesamte Strecke von "bench to bedside" abzudecken. Das Herausschneiden des Krankenversorgungsaspekts und die Unterwerfung der Krankenversorgung unter ein striktes Wirtschaftlichkeits- und Kostenmanagement sowie die Abhängigkeit von unrealistischen Gewinnvorgaben lassen nach Ansicht des Senats eine gedeihliche Entwicklung einer Universitätsklinik nicht zu. "Universitäre Medizin kann sich nur erfolgreich und gedeihlich entwickeln, wenn Kontinuität und Langfristigkeit gewährleistet sind und hochqualifizierte
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagiert und kontinuierlich ihrer Arbeit nachgehen können", heißt es in dem Resolutionstext. "Ein Konzept, jede zu verlängernde Stelle auf den Prüfstand zu stellen undgegebenenfalls nicht zu verlängern, unabhängig davon, welches Aufgabengebiet der Stelleninhaber und die Stelleninhaberin wahrnimmt, ist für eine Universitätsklinik komplett ungeeignet."
Das Beispiel der vorerst gescheiterten Partikeltherapie zeige mangelndes Verständnis für die universitäre Medizin, die gelegentlich noch ungesicherte Therapien unter ethischen Vorgaben testen müsse und damit wirtschaftliche Risiken eingehe. "Ein Wechsel in der Geschäftsführung im einstelligen Monatsrhythmus ist kontraproduktiv und wird der komplexen Struktur einer Universitätsklinik bei weitem nicht gerecht", heißt es weiter. "Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsklinik sind die wichtigste Ressource des Universitätsklinikums, ohne deren engagierte Arbeit der Betrieb nicht aufrechterhalten werden kann."
Hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Kostenfaktor zu betrachten und möglichst schnell zu reduzieren, zeige, wie weit weg dieser börsennotierte Konzern von der Chance ist, eine Universitätsklinik wirtschaftlich zu führen und erfolgreich Medizin betreiben zu lassen.
Tätigkeiten im Rahmen des Fachbereichs Medizin und des Klinikums machten eine klare Trennung der Aufgaben in Forschung, Lehre und Krankenversorgung kaum möglich. Mit der Privatisierung werde eine solche rechnerische Trennung aber erforderlich, um eine Quersubventionierung des privaten UKGM durch die öffentliche Hand auszuschließen. "Wir fordern die Geschäftsführung des UKGM auf, entsprechende Zahlen zur Verfügung zu stellen, um Kontrollrechnungen durchführen zu können, die verhindern, dass öffentliche Gelder in ein kommerzielles Unternehmen der Krankenversorgung abfließen", fordert der Senat.
Die von den Senaten der Philipps-Universität Marburg und der Justus-Liebig-Universität Gießen einhellig befürchtete Abwärts-Spirale bei der Einwerbung von qualifiziertem Personal werde faktisch noch verschärft durch das monatelange Verzögern von Entscheidungen: "Dieses ist geeignet, hochqualifiziertes Personal zu vertreiben und Berufungen scheitern zu lassen."
Die vom Land Hessen initiierte Mediation erscheint dem Senat der Philipps-Universität wenig hilfreich zu sein. Der Senat übt keine Kritik an den ausgewiesenen Persönlichkeiten.
Dr. Friedrich Bohl und Wolfgang Gerhardt dürften von den Abläufen und den Bedürfnissen eines hochkomplexen Universitätsklinikums allerdings wenig verstehen. Zur Lösung der Sachfragen sei daher die bestehende Expertise in den Kliniken zu beteiligen.
Die Reduktion der Universitätsklinik zu einem Krankenhaus - dies entspricht dem der Uni-Klinik aufoktroyierten Stellenschlüssel - lässt den Senat der Philipps-Universität mit großer und wachsender Sorge auf die Zukunft einer vernünftigen Mediziner-Ausbildung blicken. Der Senat unterstützt das Präsidium und insbesondere die Präsidentin nachdrücklich und dauerhaft dabei, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Schaden von der Universität und weitergehenden Schaden vom Klinikum der Philipps-Universität abzuwenden.
pm: Philipps-Universität Marburg
Text 6929 groß anzeigen

www.marburgnews.de

© 2017 by fjh-Journalistenbüro, D-35037 Marburg