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Weiterhin gefährlich


Marburger Montagsspaziergang ein Jahr nach Fukushima

13.03.2012 (fjh)
Gegen 18 Uhr warteten auf dem Elisabeth-Blochmann-Platz kaum 50 Menschen. Als der Demonstrationszug sich aber nach einer kurzen Rede etwa eine halbe Stunde später in Bewegung setzte, hatte sich die Zahl schon mehr als verdoppelt. Der Rede des Ingenieurs Gunther Kramp vom Anti-Atom-Plenum Marburg (AAM) auf dem Marktplatz lauschten dann sogar knapp 200 Atomkraftgegner.
Ein Jahr nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima hatte das AAM erneut zu einem Marburger Montagsspaziergang gegen Atomkraft mobilisiert. Während zum Jahrestag am Sonntag (11. März) ein nicht ganz vollbesetzter Bus von Marburg aus zu einer Demonstration im nordrhein-westfälischen Gronau gefahren war, verzeichnete die Aktion am Montag (12. März) mehr als viermal so viel Teilnehmer wie die Busfahrt zum nuklearen Zwischenlager.
In ihrer Rede bei der Auftaktkundgebung auf dem Elisabeth-Blochmann-Platz hatte die Rednerin vom AAM den Betrieb von Atomkraftwerken in Deutschland mit dem eines Autos verglichen. Wer bekäme schon eine Betriebserlaubnis bis zum Jahr 2020, wenn die Bremsen nicht mehr funktionierten und es keinen ausreichenden Versicherungsschutz gebe, lautete ihre rhetorische Frage.
Auf dem Historischen Marktplatz ging Kramp zunächst auf die - nach wie vor beängstigende - Situation der Menschen in Japan ein. Von der Regierung und vor allem der Tokyo Electric Power Corporation (TEPCO) als Betreibergesellschaft der Atomreaktoren in Fukushima werde die Katastrophe systematisch heruntergespielt und verharmlost.
Als unglaublich prangerte der Ingenieur die Evakuierungsmaßnahmen an, bei denen die Regierung die Grenzwerte für eine radioaktive Belastung kurzerhand heraufgesetzt habe, damit davon nicht wesentlich größere Landstriche betroffen wären. Nun mute sie den Bewohnern und sogar Kindern genau denjenigen Grenzwert zu, der eigentlich für Arbeiter in Atomanlagen gelte.
Noch problematischer findet Kramp die radioaktive Verseuchung von Lebensmitteln. Bei Zufallsproben habe man Werte von bis zu 500 Millisievert für eine einzige Mahlzeit gefunden. Schon zehn solche Mahlzeiten brächten ihrem Konsumenten eine tödliche Dosis ein, mahnte Kramp erschüttert.
Auch die Politik der deutschen Bundesregierung stieß bei ihm auf heftige Kritik. Die abrupte Absenkung der Förderung für Photovoltaikanlagen stellte er in einen krassen Gegensazt zum Verobt der Hühnerhaltung in Legebatterien. Während für die Hühnerkäfige Übergangsfristen bis zum Jahr 2030 gelten, werde die Förderung der Solarenergie binnen weniger Tage drastisch abgesenkt.
"Das ist kein Zeichen für eine nachhaltige Energiewende", stellte Kramp fest. Vielmehr sei diese Politik für ihn Anlass zur Befürchtung, dass die großen Energiekonzerne nach einer kurzen Schamfrist möglicherweise wieder weitermachen wollten mit ihrer Atompolitik und deswegen den Aufbau einer alternativen Struktur erneuerbarer Energiegewinnung blockierten.
Als Hoffnungsschimmer bezeichnete der Ingenieur abschließend aber die weltweiten Demonstrationen gegen den Weiterbetrieb von Atomanlagen. In Frankreich formiere sich der Widerstand ebenso wie in Japan.
Dort sind derzeit nur zwei von insgesamt 54 Atomkraftwerken am Netz. Die Lichter seien aber nicht ausgegangen, weil die Bevölkerung 20 Prozent des zuvor verbrauchten Stroms eingespart habe.
Die Präfekturen forderten angesichts der Katastrophe von Fukushima klare Garantien und eindeutige Konzepte für einen sicheren Weiterbetrieb der Atomanlagen. "Die können die Betreiber aber nicht liefern", stellte Kramp lakonisch fest.
Angesichts dieser Entwicklung wolle die japanische Regierung die Bezirksverwaltungen zu großzügigeren Regelungen zugunsten der Atomwirtschaft drängen, berichtete der Ingenieur. "Es ist nun Sache des Drucks aus der Bevölkerung, ob das gelingt", äußerte sich Kramp zum Schluss seiner Ausführungen hoffnungsvoll.
Nach wie vor findet jede Woche eine Mahnwache oder der "Marburger Montagsspaziergang" statt. Der endgültige Ausstieg aus der Atomenergie ist nach Einschätzung des AAM nämlich noch lange nicht sicher.
Franz-Josef Hanke
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