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Nachhaltige Erinnerung


Wie wir das Wort "Fukushima" lernen mussten

11.03.2012 (fjh)
Zunächst fühlte man sich erinnert an den großen Tsunami am 26. Dezember 2004 in Thailand, den Philipinen und weiteren Nachbarstaaten. Doch dann kam allmählich die Befürchtung auf, dass die Folgen des Erdbebens in Japan noch viel schlimmer werden könnten.
Bis zum 27. Februar 2012 meldete die japanische Polizei 15.853 Tote. 6.023 Personen wurden verletzt. Weiterhin gelten 3.282 Menschen als vermisst.
Niemals vorher hatten die meisten Menschen in Deutschland den Namen der japanischen Präfektur Fukushima gehört. Ebenso wie die weißrussische Stadt Tschernobyl ist Fukushima inzwischen aber zum Synonym für die Unbeherrschbarkeit und vernichtende Gewalt der Atomenergie geworden.
Der 11. März 2011 war ein Freitag. Allmählich kamen mehr und mehr Informationen über die Katastrophe in Japan über die Medien nach Deutschland.
Ein Erdbeben der Stärke 9 auf der Richter-Skala war damals nahezu unvorstellbar. Erdbeben diesen Ausmaßes waren zuvor höchstens zwei- oder dreimal gemessen worden.
Auch eine Flutwelle von 40 Metern Höhe mag man sich lieber nicht vorstellen. Beides donnerte nacheinander über Japan hinweg. Dem ersten Beben folgten etliche Nachbeben von ebenfalls enormer Stärke.
All das mag verdeutlichen, wie wenig Chancen direkt beim Aufprall der Wassermassen und unmittelbar danach bestanden haben, der gewaltigen Naturkatastrophe wirkungsvoll zu begegnen. Ebenso klar ist inzwischen allerdings auch, dass eine ganze Reihe von Fehlleistungen der japanischen Regierung und der Tokyo Electric Power Corporation (TEPCO) als Betreibergesellschaft der Atomkraftwerke von Fukushima die Katastrophe in diesem Ausmaß überhaupt erst möglich gemacht und später dann sogar noch erheblich verschlimmert haben.
All das zeichnete sich erst sehr langsam und ganz allmählich ab, während die Verantwortlichen wieder und wieder versuchten, die Welt über das wahre Ausmaß der Katastrophe im Unklaren zu lassen. Aber Verschweigen, Vertuschen und Lügen kennen die Kritiker der Atomenergie ja auch aus anderen Ländern sowie von anderen Betreibern und Regierungen schon zur Genüge.
Erstaunlich schnell regte sich daraufhin weltweit Protest gegen die Nutzung der Atomenergie. Rasch ertönte nun auch wieder die alte Forderung, der deutschen Atomwirtschaft endlich den gefährlich gierigen Hahn abzudrehen.
Bereits am 14. März 2011 fand auf dem Elisabeth-Blochmann-Platz die erste Mahnwache mit anschließendem Demonstrationszug zum Marktplatz statt. In großer Zahl waren die Menschen damals und an den nachfolgenden Montagen der Einladung des Anti-Atom-Plenums Marburg (AAM) gefolgt.
"Abschalten!" Dieser Ruf hallte laut durch Marburgs Straßen. Nachdem die Liedermacherin Beate Lambert bei nachfolgenden Demonstrationen ihren gleichnamigen Rap vorgetragen hatte, ergänzten die Marburger Demonstrierenden diese Forderung bald um die klare Verdeutlichung "und zwar jetzt und zwar alle und für immer".
Die - bereits im Deutschen Bundestag beschlossene - Laufzeitverlängerung für marode Reaktoren musste Bundeskanzlerin Angela Merkel unter dem Druck der Ereignisse zurückziehen und sogar umkehren. Dafür hat sie aus den Reihen ihrer eigenen Regierungskoalition einige Kritik einstecken müssen.
Besonders die Betreiber der Atomkraftwerke haben danach versucht, ihre - vor allem finanziell - weitreichenden Einflüsse geltend zu machen. Wegen ihrer gigantischen Gewinne galten gerade die alten - in der Finanzbuchhaltung bereits abgeschriebenen - Atommeiler als regelrechte Geld-Druckmaschinen.
Zudem waren die vier großen deutschen Stromkonzerne - darunter auch die schwedische Firma Vattenfall - natürlich daran interessiert, ihr Oligopol für die Energieversorgung aufrechtzuerhalten. Für sie war die Umsteuerung der Stromversorgung hin zu kleinen dezentralen Einheiten die größte Bedrohung.
Nur knapp ein Jahr vor dem Jahrestag der Atom-Katastrophe von Fukushima haben Umweltminister Norbert Röttgen und Wirtschaftsminister Philipp Rößler sich auf einen "Kompromiss" geeinigt: Die Förderung von Photovoltaik soll innerhalb kürzester Zeit drastisch zurückgedrängt werden.
Derweil läuft - trotz aller anderslautenden Lippenbekenntnisse - die Förderung der Atomenergie stillschweigend weiter. Nach wie vor müssen die Betreiber keine angemessenen Rücklagen für die sichere Lagerung des radioaktiven Mülls bilden und auch keine Versicherungsabschlüsse nachweisen, die das Risiko des sogenannten "Größten Anzunehmenden Unfalls" (GAU) auch nur annähernd abdecken.
Insofern ist also noch lange nicht gesagt, dass dem angeblichen "Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg" aus der Atomenergie in Deutschland nicht bald schon wieder ein weiterer "Ausstieg" folgen wird. Nachdem zum Jahrestag der Katastrophe von Fukushima am Sonntag (11. März) bundesweit fast 100.000 Menschen für eine nachhaltige Energiewende demonstriert haben, wird wohl auch am Montag (12. März) um 18 Uhr auf dem Elisabeth-Blochmann-Platz erneut der laute Ruf ertönen: "Abschalten, und zwar jetzt und zwar alle und für immer!"
Franz-Josef Hanke
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