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Was lange währt


Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten

02.03.2012 (ms)
"Heute Nacht wird – endlich – geschrieben."“ Mit dieser Feststellung hat Universitäts-Vizepräsident Prof. Dr. Joachim Schachtner das Motto der ersten "Langen Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten" an der Philipps-Universität umrissen.
Mit "Prokrastination" sei nunmehr Schluss. Mit diesem Wort bezeichnen Fachleute die allzu menschliche Neigung, schwierige Aufgaben vor sich her zu schieben. Ein Beispiel dafür sei das Schreiben von Hausarbeiden im Studium.
"Idealerweise gehen Sie heute Nacht mit einigen Seiten produziertem Text nach Hause", machte Schachtner den 40 Studierenden in seiner Begrüßung Mut. Zu gut einem Viertel waren sie Erstsemester.
"Aufschieberitis ist mein Fachgebiet", sagte Sarah, die im dritten Semester Kunst, Musik und Medien studiert und über ihrer fünften Hausarbeit brütet. "Ich habe so lange ein Motivationsproblem, bis ich ein Zeitproblem bekomme."
Die Anmeldung zur Langen Nacht sei der erste Schritt zum planvolleren Vorgehen bei den Hausarbeiten. "Häufig steckt hinter einer solchen Aufschieberitis allerdings nicht einfach der berühmte Innere Schweinehund", erläuterte Dr. Susanne Duxa. "Viele Studierende fühlen sich – insbesondere zu Beginn ihres Studiums – verunsichert, wie das Schreiben von Hausarbeiten zu bewerkstelligen ist."
Leiterin des Sprachenzentrums. Sorgen bereite neben Fragen zur Planung, Eingrenzung und Strukturierung des Inhalts vor allem auch der Anspruch, wissenschaftlich zu schreiben. Hier setzten die Lehrenden des Sprachenzentrums und der Beraterstab aus der Zentralen Allgemeinen Studienberatung (ZAS) an.
Unterstützt von Mitarbeitern der Universitätsbibliothek sowie der Fachbereiche Fremdsprachliche Philologien und Wirtschaftswissenschaften, boten sie eine Kombination von kurzen Informations-Inputs, praktischen Schreibphasen in der Gruppe und Einzelberatung mit Feedback durch Lehrende oder andere Studierende an. Neben zwei Schreibräumen zum gemeinschaftlichen Schreiben gab es Mini-Workshops zu den Themen Literaturrecherche, Schreibbeginn und -prozess, Umgang mit Schreibblockaden, Prinzipien der Textrevision sowie Hinweise, worauf Lehrende bei den Korrekturen besonders achten.
Den ganzen Abend hindurch standen erfahrende Berater für individuelle Fragen zu Arbeitsorganisation oder Zeitplanung sowie für ein Text-Feedback zur Verfügung. Zum Durchhalten gab es sowohl Getränke als auch Entspannungs- und Konzentrationsübungen.
Die liebevolle Versorgung mit "Grünem Tee für einen wachen Geist“ fand ebenso großen Anklang wie das persönliche Coaching: "Bei meinem Prof hätte ich mich
mit meinen wenigen geschriebenen Seiten geschämt", beschrieb Sarah ihre Erfahrung. "Hier bei der Schreibberatung traue ich mich, zu fragen, wie ich weiterkomme."
Enorm wichtig seien auch "die vielen kleinen Tipps, zum Beispiel Ruhe ins Schreiben zu bringen", pflichtete ihre Nachbarin bei. Am Ende der Nacht hatte Sarah zwar nicht ganz die vier Textseiten zur Musikästhetik produziert, die sie sich vorgenommen hatte, aber ihre Fragestellung entscheidend zugespitzt.
"Die Erfahrung, dass ich nicht allein bin mit meinem Problem, sondern heute Nacht hunderte Studierende in vielen Städten zu schreiben
versuchen, war sehr tröstlich", berichtete sie. Dass der Schreibprozess keine Einbahnstraße sei, sondern dialektisch verlaufe als ein Dialog mit sich selbst und in Rückkopplung mit kritischen Lesern ihres Entwurfs, sei ihm nun klarer, warf ein Kommilitone ein.
Auch den eingangs erteilten Rat, sich der klugen Köpfe neben sich zu bedienen, hatte Sarah befolgt: "Im Workshop wurden mir wie von selbst die holprigen Stellen in meiner Gliederung klar."
Prof. Dr. Evelyn Korn ist die Initiatorin des Projekts "EcoSkills", das am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften Schlüsselkompetenzen vermittelt. Sie kennt das Problem: "Dass ein klarer Satz kein Zufall ist, wie William Zinsser es in seinem Schreibratgeber formuliert, weiß ich als Lehrende genau."
Dahinter stecke selbst bei erfahrenen Schreibern noch immer harte Arbeit. Zur Belohnung verteilte das Initiatorenteam eine kleine rote Adlerfeder und Süßigkeiten an die "letzten Mohikaner und Mohikanerinnen"’, die bis Mitternacht
schreibend ausgeharrt hatten.
"Eigentlich könnte ich jetzt noch zwei Stunden weiterschreiben", meinte Sarah beim Veranstaltungsende. Die Philipps-Universität beteiligte sich 2012 zum ersten Mal mit an der bundesweiten Aktion, die zeitgleich an mittlerweile 13 Hochschulen stattfand.
In Hessen mit dabei waren außer Marburg noch Darmstadt und Frankfurt, die beide über eigene Schreibzentren verfügen. Da es eine solche Einrichtung an der Philipps-Universität bislang nicht gibt, kam die Lange Nacht auf Initiative der Beteiligten aus Sprachenzentrum, Zentraler Studienberatung, Universitätsbibliothek sowie den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften und Fremdsprachliche Philologien zustande.
Finanziert wurde die Lange Nacht über das - vom Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte - Projekt "EcoSkills". Die Resonanz der Studierenden war eindeutig: innerhalb von zwei Stunden nach der Ankündigung waren alle 30 Plätze ausgebucht. Auf die Schnelle wurden noch zehn zusätzliche geschaffen.
"Die lange Warteliste und die vielen e-mails mit der Bitte nach weiteren Terminen zeigen den Bedarf, den wir vorher schon in unseren Beratungsgesprächen immer wieder gespürt haben“, erklärte Studienberaterin Heike Schmid von der ZAS. Eine Wiederholun der Aktion sei schon geplant. Wenn es nach den Einträgen im Gästebuch ginge, wünschten sich die Studierenden eine solche Nacht jedes Semester.
pm: Philipps-Universität Marburg
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