16.01.2008 (jnl)
Witziges Musik-Kabarett hat in der Jazz-Szene Seltenheitswert. Genau das aber brachte Erika Stucky am Dienstag (15. Januar) in Marburg auf die Bühne.
Die 45-jährige Akkordeonistin und Vokal-Artistin gilt weltweit als völlig unnachahmliche Jazz-Entertainerin. Auf Einladung der Jazz-Initiative Marburg (JIM) gastierte die Schweizerin mit ihrem aktuellen Programm "Suicide Yodels" im ausverkauften
Kulturladen KFZ. Begleiten ließ sie sich dabei von Jon Sass auf der Basstuba und Sebastian Fuchsberger auf der Posaune.
Zum Auftakt machte sie gleich klar, dass bei ihr kein Abspulen des Stücke-Sets von ihrem Album zu erwarten sei. Mit einem Trommelstab brachte sie perkussiv Details des Raumes zum Klingen. Bekleidet mit einem skurrilen Outfit aus einer roséfarbenen Trainingsjacke und gleichfarbigem Unterrock über einer schrillen Seidenhose schritt Stucky sodann mit einem Schneeschieber auf der Schulter auf die Bühne. Dazu sang sie melodisch auf- und abschwellend in einer Phantasiesprache.
Das Zusammenspiel mit ihren beiden Blechbläsern in den folgenden Stücken verriet ein fast perfektes Aufeinander-Eingestellt-Sein und Timing. Die Posaune sorgte für druckvollen Schwung und die Tuba gab die Basslinien dazu.
Nicht erst das vierminütige Solo des schwarzen Riesen Jon Sass aus Wien zeigte ihn als exzellenten Instrumentalisten. Der Salzburger Sebastian Fuchsberger erwies sich neben instrumentalem Können als veritables Jodel-Talent und gleichwertiger Gesangspartner für die Stucky.
Das Jodeln ist mitnichten die "Heidi-Nummer" aus der schweizerischen Variante des Musikantenstadels. Auf die wurde das Publikum in lakonisch-ironischer Manier von der Stucky ein ums andere Mal vertröstet: "Die käme dann nachher".
Jodeln ist ein anderes Wort für Jauchzen und kann sowohl lustig wie traurig ausgerichtet sein. Stucky schaffte es, die sehr unterschiedlichen
Welten des US-amerikanischen Cowboy-Jodlers, des österreichischen Jubel-Jodelns und die bluesig-melancholisch gestimmte Variante des Schweizer "Zäuerli" originell ans Publikum rüberzubringen.
Mit ihrer vielschichtigen Persönlichkeit und einer starken Bühnenpräsenz zog die Musikerin das Publikum von Anfang an in ihren Bann. Die gut 200 Besucher dankten es ihr nach einem zweistündigen Konzert mit langanhaltendem Applaus. Erst nach drei Zugaben ließen sie Erika Stucky ziehen.
Jürgen Neitzel
Text 68 groß anzeigenwww.marburgnews.de